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Materialforschung: Mit KI auf der Suche nach der Superbatterie

Die Suche nach passenden Materialien für neuartige Batterien ist langwierig. Nun haben Forschende mit künstlicher Intelligenz 32 Millionen Substanzen analysiert – und sind fündig geworden.
Batterien mit dem neuen Elektrolyten werden auf ihr Lade- und Entladeverhalten getestet
Die Batterien mit dem neuen Festkörperelektrolyten werden im Labor bereits auf ihr Lade- und Entladeverhalten getestet.

Es ist eines der vielen Versprechen von künstlicher Intelligenz: Die Technologie soll die Suche nach neuen Materialien und Molekülen massiv beschleunigen und so dabei helfen, einige der drängendsten Probleme unserer Zeit zu lösen. Fachleute erhoffen sich chemische Baupläne für bessere Katalysatoren, leistungsfähigere Batterien und andere neuartige Stoffe. Nun hat ein Team von Microsoft in Zusammenarbeit mit dem Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), einer Forschungseinrichtung des US-amerikanischen Energieministeriums, verkündet, einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg hin zur Verwirklichung dieser Vision erreicht zu haben. Mit Hilfe einer KI filterten sie aus 32 Millionen möglichen Substanzen ein bislang unbekanntes Material heraus und synthetisierten es anschließend im Labor. Laut Aussage der Forschenden hat der Stoff großes Potenzial als ressourceneffizienter Energiespeicher. Die Ergebnisse wurden bislang noch nicht unabhängig überprüft.

Normalerweise ist die Forschung an neuen chemischen Stoffen ein aufwändiger, teurer und langwieriger Prozess. Meist dauert es Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, neue Verbindungen zu finden, herzustellen und zu testen. So hat etwa die Entwicklung der heute weit verbreiteten Lithium-Ionen-Batterie rund zwei Jahrzehnte gebraucht. Nun habe man das gesamte Verfahren – angefangen bei der Suche nach geeigneten Materialkandidaten über die Auswahl, Testung und Herstellung eines Batterieprototypen – auf neun Monate verkürzt. »Wir stehen am Beginn einer neuen Ära wissenschaftlicher Entdeckungen«, lässt sich Jason Zander, Vizepräsident für strategische Aufgaben und Technologien bei Microsoft, in einer Pressemitteilung zitieren. »Unser Erfolg bei der Suche nach einem neuen Batteriematerial mit Hilfe von KI ist nur eines der vielen Beispiele dafür, wie unser innovativer Ansatz in der Materialforschung unser tägliches Leben künftig verbessern kann.«

Die »Azure Quantum Elements«-Plattform von Microsoft greift zurück auf verschiedene KI-Systeme, auf Cloudcomputing, Hochleistungsrechner und – in fernerer Zukunft – auch auf einen Quantencomputer und kombiniert diese miteinander. Zunächst trainierte das Team eine KI darauf, brauchbare Kombinationen der verschiedenen chemischen Elemente für diesen speziellen Anwendungsfall zu ermitteln. Der Algorithmus schlug daraufhin 32,6 Millionen Kandidaten vor. Anschließend bestimmten die Wissenschaftler mit einem weiteren KI-System alle Materialien, die unter natürlichen Bedingungen eine stabile Konfiguration ausbilden. Ein drittes KI-Tool filterte die Moleküle heraus, die auf der Grundlage ihrer Reaktivität und ihrer Ionenleitfähigkeit als Batteriematerial in Frage kommen. Es blieben rund 800 Substanzen übrig. Alle KI-Modelle, die für dieses Auswahlverfahren verwendet wurden, basieren auf einem graphischen neuronalen Netzwerk. Solche Netze können Daten verarbeiten, die in Graphen darstellbar sind.

Die Rezeptur wird bereits getestet

KI mag zwar schnell sein, doch es fehlt die Genauigkeit, die in der Materialforschung nötig ist. Daher nutzten die Forschenden als Nächstes klassische Hochleistungsrechner, um etwa die Molekulardynamik der verbliebenen Materialien zu simulieren. Die Liste schrumpfte damit auf 150 Kandidaten. Schließlich bewerteten die Wissenschaftler noch die Verfügbarkeit, die Kosten und zahlreiche weitere Parameter, wodurch sich schließlich 23 Materialien herauskristallisierten, von denen fünf bereits bekannt waren. All das soll gerade einmal 80 Stunden gedauert haben – vom Trainings- und Programmieraufwand einmal abgesehen. Die finale Auswahl desjenigen Materials, das in allen erforderlichen Punkten die größte Aussicht auf Erfolg hatte, nahmen abschließend die Fachleute des PNNL vor.

Die Rezeptur für den Festkörperelektrolyten, die nun an der Forschungseinrichtung des Energieministeriums getestet wird, enthält sowohl Lithium als auch Natrium sowie einige andere Elemente. Dadurch ließe sich der Lithiumgehalt in Batterien erheblich reduzieren – möglicherweise um bis zu 70 Prozent. Zuvor dachte man, dass Natrium und Lithium nicht sonderlich gut miteinander harmonieren. Da Lithium bereits relativ knapp und teuer ist und der Abbau zahlreiche negative Folgen für die Umwelt mit sich bringt, sind Materialforscher weltweit seit Längerem auf der Suche nach Alternativen. Zudem gelten Festkörperelektrolyten als sicherer als herkömmliche flüssige oder gelartige Varianten und sie bieten eine höhere Energiedichte. Somit hätte die marktreife Entwicklung eines solchen Energiespeichers enorme ökologische, sicherheitstechnische und wirtschaftliche Vorteile.

»Es geht hier weniger um dieses spezielle Batteriematerial, sondern vielmehr um die Geschwindigkeit, mit der es identifiziert werden konnte«Brian Abrahamson, Leiter der Digitalabteilung des PNNL

Brian Abrahamson, Leiter der Digitalabteilung des PNNL, gibt jedoch zu bedenken, dass sich das Material trotz allem in einem frühen Forschungsstadium befindet. Die genaue chemische Zusammensetzung müsse noch optimiert werden und es könne sich bei Tests in größerem Maßstab noch immer als ungeeignet erweisen. »Es geht hier weniger um dieses spezielle Batteriematerial, sondern vielmehr um die Geschwindigkeit, mit der es identifiziert werden konnte«, sagte er. Das sei der entscheidende Flaschenhals, der die Forschung ausbremse. Denn: Die Zahl der Materialzusammensetzungen, die erforscht und analysiert werden müssen, um innovative Lösungen zu finden, übersteigt womöglich die Zahl der Atome im bekannten Universum.

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