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News: Killerwurzeln

Pflanzen schrecken auch vor Mord nicht zurück, um ihren Stickstoffbedarf zu decken. Bekanntes Beispiel ist die Venusfliegenfalle, die nichts Böses ahnende Fliegen bei lebendigem Leibe verschlingt. Doch auch harmlos wirkende Kiefern haben es mitunter faustdick hinter den Wurzeln: Sie verbünden sich mit Pilzen, die kleine Springschwänze vergiften und deren Stickstoff an die Baumwurzeln weiterleiten.
Als Paradebeispiel für Symbiose gilt die so genannte Mykorrhiza: Pilz und Pflanzenwurzel arbeiten Hand in Hand zum gegenseitigen Vorteil zusammen. Der Pilz, der sich in den Wurzeln häuslich eingerichtet hat, liefert seiner Wirtspflanze Mineralsalze aus dem Boden, während ihn die Pflanze mit organischen Verbindungen entlohnt. Kein Wunder, dass diese wunderbare Freundschaft weit verbreitet ist – über 95 Prozent aller Gefäßpflanzen gehen ein unterirdisches Bündnis mit einem Pilz ein.

Bisher glaubten die Botaniker, dass es sich dabei um eine friedliche Angelegenheit handelt. Bei einer Routineuntersuchung der Mykorrhiza zwischen der Weymouths-Kiefer Pinus strobus und dem Pilz Laccaria bicolor mussten John Klironomos und Miranda Hart von der kanadischen University of Guelph ihr Urteil jedoch revidieren. Die beiden Forscher wollten wissen, ob sich die Springschwanzart Folsomia candida, die sich normalerweise in Scharen im Boden tümmelt, von dem Mykorrhiza-Pilz ernähren kann. Doch zur Überraschung der Forscher bekam den kleinen flügellosen Insekten der Pilz ziemlich schlecht: Im Einzugsbereich des Pflanzenbündnisses überlebten innerhalb von zwei Wochen weniger als fünf Prozent der Springschwänze. Die Insektenleichen waren alle von dem Pilz infiziert. "Wir wollten ursprünglich die Springschwänze mit dem Pilz füttern", erinnert sich Klironomos. "Doch wir mussten überrascht feststellen, dass der Pilz die Insekten fraß."

Die neugierigen Wissenschaftler probierten es sofort mit anderen Pilzarten. Doch diese konnten die Springschwänze nicht sonderlich beeindrucken – nur Laccaria bicolor brachte die Insekten um. Die Forscher vermuten, dass der Pilz ein Toxin abgibt, das die Springschwänze lähmt und dann tötet.

Mit radioaktiv markiertem Stickstoff verfolgten Klironomos und Hart daraufhin das weitere Schicksal der sterblichen Überreste der Insekten. Es zeigte sich, dass der Pilz den Stickstoff der toten – oder auch noch lebenden – Springschwänze aufnimmt und an die Wurzel seiner Wirtspflanze – der Weymouths-Kiefer – weiterleitet.

Offensichtlich kann der Baum, indem er sich mit dem mörderischen Pilz verbündet, prächtig auf stickstoffarmem Boden gedeihen. Klironomos vermutet, dass solche todbringenden Bündnisse nicht selten unter der Erde zu finden sind: "Ich wäre nicht überrascht, wenn das sehr häufig vorkommt."

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  • Quellen
Nature Science Update
Nature 410: 651–652 (2001)

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