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News: Kirche unter Wasser

Vor 1700 Jahren haben Seeleute dort um Schutz auf ihren Reisen gebeten oder sich für guten Wind und ein ruhiges Meer bedankt. Heute werden die Überreste der christlichen Kirche nur noch von den Fischen besucht. Das Gotteshaus liegt mittlerweile rund zwei Meter unter Wasser an der Küste der Südtürkei. Die Kirche ist nur eines der vielen Rätsel, welche das antike Aperlae den Archäologen aufgibt.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Robert Hohlfelder von der University of Colorado in Boulder hat die Reste der 20 Meter langen und zehn Meter breiten Kirche im Uferbereich der antiken Stadt Aperlae entdeckt. Aufgrund von seismischen Aktivitäten in den letzten Jahrhunderten ist der Boden dort langsam abgesunken und vom Mittelmeer überflutet worden.

Die christliche Kirche wurde nach der Regentschaft von Konstantin I. gegründet, dem ersten römischen Herrscher, der sich dem Christentum zugewandt hatte. Damals hieß die Region noch Lycia. Doch schon vorher stand an der betreffenden Stelle ein Tempel, vermutet Hohlfelder. Darauf deuten ein sorgfältig gearbeitetes, vielfarbiges Mosaik sowie große Steinsäulen hin, die sich direkt an die Apsis der Kirche anschließen. "Es herrscht Verwirrung angesichts der Reichtümer am Meeresboden", sagt er. "Anscheinend wurde die Struktur über die Jahrhunderte stetig erweitert."

Bislang wurde in dieser Gegend nur in Aperlae eine Kirche unter Wasser gefunden. Die Wissenschaftler vermuten, daß sie dem Heiligen Nikolaus geweiht war, dem Schutzheiligen der Seefahrer, der in der Nähe von Aperlae geboren wurde. "Praktisch jede Stadt in Lycia hat eine Kirche für den Heiligen Nikolaus", erläutert Hohlfelder. "Es ist unvorstellbar, daß Aperlae keine haben sollte."

Hohlfelder und sein Kollege R. Lindley Vann von der University of Maryland haben bereits vier Kirchen in Aperlae gefunden – einer Stadt mit schätzungsweise nur 1000 Einwohnern. Dieses zahlenmäßige Mißverhältnis ist schwer zu erklären, da keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Geschichte des Ortes existieren. Alle Erkenntnisse müssen mit archäologischen Methoden gewonnen werden. Vielleicht war Aperlae ein heiliger Ort oder ein klösterliches Zentrum, vermuten die Forscher.

Vom Ursprung der 2400 Jahre alten Stadt künden ein Berg von Schneckenhäusern, die sich in den Außenbezirken auftürmen, sowie drei Steintanks im mittlerweile überfluteten Hafen. Nach Hohlfelders Ansicht wurde aus den Schnecken das tyrische Purpur gewonnen und dann in den Tanks gelagert, bis der begehrte Farbstoff auf Schiffen nach Rom gebracht wurde.

Warum ausgerechnet Aperlae über Jahrhunderte eine blühende Entwicklung durchmachte, ist vorerst noch rätselhaft. Der Ort besaß nicht einmal eine Frischwasserquelle oder einen Fluß. Über 30 große Zisternen wurden die Einwohner mit Wasser versorgt. Die Forschung in diesem Jahr brachte Hinweise, daß die Menschen damals wahrscheinlich einige Staustufen in einer großen Schlucht westlich der Stadt errichtet haben, wodurch Regenwasser aufgefangen und gespeichert werden konnte.

Mehrere Male wurde die Befestigung von Aperlae verstärkt, bis Piraten die Stadt im siebten Jahrhundert vor dem Hintergrund des zerbröckelnden Oströmischen Imperiums von Piraten überfallen und ausgeraubt haben. Ihre Geheimnisse nahm Aperlae mit in den Untergang, nur deren Spuren sind noch zu finden – über wie unter Wasser.

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