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News: Kleine Hinweise auf große Wanderungen

Die Bewegungen der Kontinente lassen sich nicht nur anhand von geophysikalischen Untersuchungen nachvollziehen, sondern spiegeln sich auch in Fossilfunden von ausgestorbenen Tierarten wieder. So gab es im Verlaufe der Erdgeschichte vermutlich einmal einen Weg von Südamerika nach Indien, der über die Antarktis statt über Afrika führte.
Fossilfunde von Säugetierzähnchen, die an völlig unterschiedlichen Orten auf der Welt gefunden wurden, geben wertvolle Hinweise darauf, wie die Kontinente dorthin gelangt sind, wo sie sich heute befinden. David Krause von der State University of New York und seine Mitarbeiter beschreiben in Nature vom 4. Dezember 1997 die 80 Millionen Jahre alten Zähne einer ausgestorbenen Tierart aus Madagaskar und einen etwas jüngeren Fund der gleichen Spezies aus Indien.

Dieses Säugetier mit dem Namen Sudamericids war bisher nur aus Südamerika bekannt. Es war klein, rattenähnlich und besaß einzeln abgesetzte, spitze Zähne. Die Art lebte gleichzeitig mit den letzten Dinosauriern und überlebte die Echsen auch um einige Millionen Jahre, ist heute aber restlos ausgestorben. Die Entdeckung ihrer Überreste in Indien und auf Madagaskar zeigt, daß Sudamericids einst weit verbreitet waren – und daß jetzt weit voneinander entfernte Kontinente einst zusammengehörten und eine ähnliche Fauna beherbergten.

Bis vor etwa 130 Millionen Jahren waren das heutige Südamerika, Australien, Afrika, Indien, Madagaskar und die Antarktis als „Superkontinent” Gondwanaland vereint. Während Südamerika und die Antarktis an die westliche Grenze von Afrika stießen, schmiegten die Landmassen von Indien und Madagaskar sich von Osten an. Doch Gondwanaland brach auseinander; bis auf die Antarktis drifteten alle Bruchstücke nordwärts. Indien und Madagaskar verblieben zunächst eine Weile beieinander, trennten sich aber schließlich doch. Indien trieb weiter nach Norden, wo es mit Eurasien kollidierte, was das Himalaya-Massiv entstehen ließ und auch heute noch wachsen läßt. Auch Afrika stieß mit Europa zusammen, sichtbares Zeichen dafür sind die Alpen.

Die Reihenfolge, in der die Kontinente sich voneinander lösten, ist sowohl für Geophysiker als auch für Paläontologen interessant. Hinweise geophysikalischer Natur deuten an, daß sich zuerst Afrika von Südamerika und der Antarktis abspaltete. Diese beiden Kontinente blieben über den nordwärts gewandten Sporn der antarktischen Halbinsel miteinander verbunden. Neueste geophysikalische Indizien lassen vermuten, daß auch das Paar Indien-Madagaskar eine Weile über eine Landbrücke Kontakt zur Antarktis hatte. Die Reste bilden den heutigen Kerguelenrücken im südlichen Ozean.

Daraus läßt sich schließen, daß südamerikanische Tiere für einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren über die Antarktis nach Indien und Madagaskar wanderten (und ebenso in die andere Richtung) – unter Umgehung des afrikanischen Kontinents. Die Sudamericids sind ein Beispiel dafür.

Diese Ergebnisse passen hervorragend zu Überlegungen, nach denen Tiere, die in unserer Zeit so verschieden sind wie Erdferkel und Elefanten, einen gemeinsamen Stammbaum haben, der auf Afrika beschränkt ist. Wenn der Schwarze Kontinent vor rund 100 Millionen Jahren vom restlichen Gondwana isoliert war, können sich auf ihm die endemischen Tierarten zu Formen entwickelt haben, die nirgends sonst auf der Welt zu finden sind, ähnlich wie es von Australien bekannt ist. Natürlich wäre diese Hypothese sofort widerlegt, sobald ein Sudamericid-Fossil in Afrika gefunden würde, doch im Moment läßt sich mit diesem Modell gut arbeiten.

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