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Ionosphäre: Kleine Wirbel durch den Schutzschild

Er ist schön und schrecklich zugleich. Damit Leben im Weltraum existieren kann, muss es vor seinen Gefahren geschützt werden. Für unsere Erde übernehmen die Atmosphäre und das Magnetfeld des Planeten einen Großteil dieser Aufgabe. Wie genau dies funktioniert, das finden Forscher erst jetzt mit Hilfe spezieller Satelliten heraus.
Die Magnetosphäre schützt vor Sonnenwind
Nicht nur Wissenschaftler arbeiten im Team, mitunter erlangen auch ihre Instrumente erst durch Gruppenarbeit die begehrten Daten. Die Cluster-Satelliten der Esa und Nasa drehen ihre Schleifen beispielsweise zu viert um die Erde. Mal in komfortablen Abständen von etwa 500 Kilometern zueinander, mal auf 100 Kilometer Tuchfühlung kurven sie durch das Magnetfeld der Erde und messen dabei dessen Stärke mitsamt seinen Wandlungen und Schwankungen in Raum und Zeit. Sie liefern damit hochpräzise Informationen über einen planetaren Schutzschild, ohne den irdisches Leben nicht möglich wäre.

Die ständige Bedrohung, die es abzuwenden gilt, stammt ausgerechnet von der Sonne. Außer Licht und wärmender Strahlung sendet diese nämlich auch extrem energiereiche Teilchen aus, den so genannten Sonnenwind, der biologische Moleküle in kürzester Zeit zerstören würde. Doch zum Glück sind die Teilchen hoch ionisiert und wechselwirken auf Grund ihrer Ladung mit dem Erdmagnetfeld. Mit mehreren hundert Kilometern pro Sekunde treffen sie weit vor der Erde auf die Feldlinien und werden dadurch vehement abgebremst und umgeleitet. Wie die Bugwelle bei einem schnell fahrenden Schiff auf dem Wasser fließt der Sonnenwind größtenteils an dem Planeten vorbei. Nur ein kleiner Anteil gelangt so weit in das Magnetfeld, dass die Feldlinien ihn in Erdnähe führen, und manche Teilchen schaffen es tatsächlich bis in die Atmosphäre oder sogar auf den Boden. Bis dahin haben sie allerdings ihre Energie so weit aufgebraucht, dass sie nur noch minder gefährlich sind.

Dennoch wüssten Wissenschaftler zu gerne, wie genau die Ionen durch den Magnetschild gelangen. Dank Cluster sind Physiker um David Sundkvist vom Schwedischen Institut für Weltraumphysik in Uppsala und Padma Shukla vom Institut für Theoretische Physik der Ruhr-Universität Bochum diesem Geheimnis nun ein gutes Stück weit auf die Spur gekommen. Und ihre Ergebnisse sind im wahrsten Sinne des Wortes turbulent.

Kelvin-Helmholtz-Wirbel der Magnetosphäre | Den ersten Nachweis magnetischer Verwirbelungen lieferten die Cluster-Satelliten der Esa im letzten Jahr, als sie Kelvin-Helmholtz-Wirbel erfassten. Die Illustration zeigt die typische Lage dieser mit Durchmessern um die 40 000 Kilometer großen Vortices. Die kleineren Alfvénic-Turbulenzen könnten für die Ionen des Sonnenwindes als Kanäle durch den Magnetmantel dienen.
Schon lange hatte man angenommen, dass der unregelmäßige Strom von Sonnenteilchen zu magnetischen Verwirbelungen führen und vorhandene Wirbel verstärken müsste. Doch das war Theorie. Den ersten Nachweis durch Messdaten lieferte Cluster im letzten Jahr, als die Satelliten Kelvin-Helmholtz-Wirbel mit Durchmessern um die 40 000 Kilometer erfassten. Nun haben sie auch die kleineren Verwandten entdeckt: Alfvénic-Turbulenzen in der Größenordnung von 25 Kilometern. Und diese Strudel könnten für die Ionen als Kanäle durch den Magnetmantel dienen.

Die kleinen Turbulenzen entstehen dann, wenn größere Wirbel Wärmeenergie abgeben und dadurch ihren Schwung verlieren. Über den Erdmagnetpolen – dort, wo die magnetischen Feldlinien teilweise geschlossen sind und teilweise einen Bogen zum gegenüberliegenden Pol schlagen – können dabei verschiedene Typen von Wellen aufeinandertreffen und die lokalen Wirbel hervorrufen. Wie bei einem Küchenmixer mischen sich sonst säuberlich getrennte Bereiche miteinander – da kann schon einmal Sonnenmaterial zur Erde durchrutschen.

Clusters vier Satelliten haben uns damit einen Weg gezeigt, auf dem der Sonnenwind es in die Atmosphäre schafft, um schöne Polarlichter oder störendes Funkrauschen zu produzieren. Welche Schlupflöcher der Magnetschild sonst noch bietet, werden wohl erst zukünftige Missionen mit noch höherer Auflösung zeigen. Auch die werden wieder im Team arbeiten – am Boden wie im Orbit.

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