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News: Kleine Zellen mit großen Türen

Die meisten Zellen einer Pflanze sind über Membrankanälchen, sogenannte Plasmodesmen, untereinander verbunden. Diese erlauben einen direkten Austausch von Molekülen über Zellgrenzen hinweg und ermöglichen gleichzeitig eine elektrische Kopplung der Zellen. Aufgrund früherer Untersuchungen ging man davon aus, daß nur Moleküle geringer Größe wie etwa Zucker oder Aminosäuren durch die Plasmodesmen wandern können. Erlanger Wissenschaftler haben die Funktion von Plasmodesmen mit Hilfe transgener Pflanzen untersucht, die in bestimmten Zellen ein grün fluoreszierendes Protein (GFP) aus Quallen synthetisieren. Die Ergebnisse zeigten, daß zwischen vielen Zellen einer Pflanze Moleküle transportiert werden können, die um das 50-fache größer sind als bisher angenommen. Dies wirft ein völlig neues Licht auf die Funktion der Plasmodesmen und ihre Rolle bei der Verteilung und dem Transport von Makromolekülen.
Ein wesentlicher Schritt bei der Charakterisierung eines Gens ist die präzise Analyse seines Expressionsmusters, d.h. wann, wo und in welcher Menge die Information dieses Gens während der Lebenszeit eines Organismus abgelesen und in Protein übersetzt wird. Diese Eigenschaften werden durch DNA-Sequenzen mit Steuerfunktionen am Beginn des Gens festgelegt, dem sogenannten Promotor. Dieser Promotor liegt vor dem Bereich des Gens, der die Information für das Protein trägt, dem sogenannten kodierenden Bereich. Die Eigenschaften eines Promotors können untersucht werden, indem der zugehörige kodierende Bereich dieses Gens durch den kodierenden Bereich eines anderen Gens ersetzt wird, dessen Genprodukt (das Protein) auf einfache Art nachweisbar ist und das durch seine An- oder Abwesenheit die Aktivität des Promotors anzeigt.

Seit einigen Jahren wird für derartige Analysen ein Gen einer Tiefseequalle (Aequorea victoria) verwendet. Das von diesem Gen kodierte Protein hat die Eigenschaft, bei Beleuchtung mit ultraviolettem Licht grün zu fluoreszieren (woraus sich die Abkürzung GFP herleitet). Wird der kodierende Bereich dieses Gens unter die Kontrolle eines beliebigen Promotors X gestellt, und wird das entstandene neue Gen in einen Organismus eingebracht, so können die Eigenschaften des Promotors X (wann, wo, wieviel) ganz einfach durch Beleuchten des Organismus, der dieses "neue Gen" erhalten hat, mit UV-Licht sichtbar gemacht werden.

Der Arbeitsgruppe an der Universität Erlangen-Nürnberg unter Leitung von Norbert Sauer zeigte sich bei der Analyse von Pflanzen, die solch ein "neues" Gen erhalten hatten (sog. transgenen Pflanzen), etwas Unerwartetes: zahlreiche Zellen und Gewebe, von denen bekannt war, daß der untersuchte Promotor in ihnen nicht aktiv ist (d.h., daß das GFP dort nicht hergestellt werden kann), zeigten dennoch eine UV-Licht-abhängige, grüne Fluoreszenz.

Im Laufe weiterer Untersuchungen konnte schließlich bewiesen werden, daß das fluoreszierende Protein in Pflanzen über die anfangs erwähnten Plasmodesmen von Zelle zu Zelle "wandern" kann und daß dies vor allem in jungen, noch nicht ausdifferenzierten Zellen geschieht. In speziellen Zellen der Blattadern, in denen die Produkte der Photosynthese innerhalb der Pflanze verteilt werden, "wandert" das GFP auch über längere Distanzen (viele Zentimeter) und kann dadurch sogar in aufgepfropften Pflanzen nachgewiesen werden, die das Gen für GFP selbst nicht besitzen. In enger Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen in Tel Aviv (Israel) und Dundee (Schottland) konnten künstlich vergrößerte GFPs hergestellt und ihre Mobilität zwischen Pflanzenzellen untersucht werden. In diesen Analysen konnte gezeigt werden, daß auch Proteine mit der doppelten Größe von GFP noch wandern können.

Diese Entdeckungen haben weitreichende Konsequenzen. Die Rolle der Plasmodesmen als Zellkontakte muß neu überdacht werden, da offenbar zumindest zwischen jungen Pflanzenzellen und den Zellen der Assimilatleitbahnen weitaus größere Moleküle ausgetauscht werden können als bisher beschrieben. Es kann sich dabei sogar um Proteine handeln, die u.U. auch Teile zelleigener Signalübertragungsketten oder Regulationskaskaden sein könnten. Wichtig sind diese Daten auch im Hinblick auf die Verbreitung von Viren innerhalb von Pflanzen. Pflanzenviren haben im Laufe ihrer Evolution gelernt, sich über Plasmodesmen zwischen den Zellen zu verteilen, und das Verteilungsmuster pflanzlicher Viren nach einer Infektion ähnelt in vielen Punkten dem Verteilungsmuster des fluoreszierenden Quallenproteins. Last not least helfen diese Pflanzen auch den Weg und Mechanismus zu verstehen, auf dem die während der Photosynthese synthetisierten organischen Substanzen in einer Pflanze verteilt werden.

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