Direkt zum Inhalt

News: Kleiner Feind der Großen

Wer besonders groß und stark ist im Reich der Säugetiere - und das sind in der Regel die Männchen -, der bezahlt früh mit dem Leben. Offenbar tragen kleine, unliebsame Untermieter ihren Teil dazu bei. Steckt dahinter eine natürliche Diskriminierung der Männer?
Groß und stark macht Eindruck, heißt bei Säugetieren die Regel im Kampf um das Weibchen – seien es nun Muskelpakete, wilde Mähnen oder ausladende Geweihe. Sie signalisieren der Mutter in spe ein gut funktionierendes Immunsystem und damit beste Erbanlagen für den geplanten Nachwuchs. In diesem Wettrennen um die Gunst der Angebeteten entwickelte sich wohl auch, dass die meisten Männchen ihre Artgenossinnen in der Körpergröße bisweilen weit übertreffen – von den üblichen Ausnahmen abgesehen wie beispielsweise Hasen, Fledermäusen oder einigen Nagern, bei denen die Weibchen die Nase vorn haben.

Doch das Bild von der strotzenden Gesundheit täuscht. Denn je ausgeprägter der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern, desto früher bezahlen die Männchen mit dem Leben. Die Männchen deshalb, weil sie eben in der Regel die Größeren sind. Und da es schon länger einige Hinweise gab, dass nicht nur das gefährliche Männerleben dafür verantwortlich ist, sondern auch parasitische Gliederfüßler, Würmer und Einzeller ihren Teil dazu beitragen, haben sich Sarah Moore und Kenneth Wilson von der University of Stirling den Einfluss der unliebsamen Untermieter einmal genauer angesehen.

Die Wissenschaftler analysierten 355 Studien, in denen der Parasitenbefall verschiedener Säugetierarten untersucht wurde. Tatsächlich waren die Männchen in acht der zehn beteiligten Gruppen stärker geplagt als die Weibchen. Dabei galt: Je ausgeprägter der Größenunterschied ist, desto stärker leiden die Männchen im Vergleich zu ihren Artgenossinnen an kleinen Mitessern. Bei Fledermäusen – die keinen Geschlechtsdimorphismus aufweisen – lag die Quote gleich hoch. Nur bei Unpaarhufern (Perissodactyla) mussten sich die Weibchen stärker quälen. Da es sich hier aber ausschließlich um Untersuchungen an einer Art – Spitzmaulnashörnern – handelte, möchten die Forscher diese Ergebnisse nicht verallgemeinern.

Unter dem Strich bleibt damit: Parasiten bevorzugen offenbar die männlichen, weil größeren Körper. Steckt dahinter eine natürliche Benachteiligung des doch sonst als stark geltenden Geschlechts? So unterdrückt beispielsweise das männliche Sexualhormon Testosteron, das zur Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale unerlässlich ist, das Immunsystem. Wer groß und stark ist, mag also zwar gute Anlagen für die körpereigene Abwehr besitzen, muss aber damit leben, dass sie nicht so richtig zum Zuge kommt – und öffnet den Parasiten damit Tür und Tor.

Vielleicht ist aber auch einfach nur die ausgedehntere Oberfläche schuld oder die Anstrengung, zu einer imposanten Erscheinung heranzuwachsen. Denn dafür benötigt man mehr Nahrung, ist größeren Gefahren ausgesetzt, hat also schlicht mehr Stress im Leben – was bekanntermaßen ebenfalls dem Immunsystem aufs Gemüt schlägt. Die Daten stützen diese Vermutung: In den Gruppen, in denen die Weibchen den Größenwettbewerb gewinnen, müssen sich diese auch häufiger mit Parasiten herumplagen. Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung konnten die Wissenschaftler in ihren Daten jedenfalls nicht feststellen.

Befunde aus der Praxis untermauern die Hypothese: Bei den schottischen Soay-Schafen sind die Männchen deutlich größer als die Weibchen – und ihre Sterblichkeitsrate etwa doppelt so hoch wie die ihrer potenziellen Partnerinnen. Die Böcke leiden sehr viel häufiger an Fadenwürmern im Verdauungstrakt. Als Wissenschaftler die Parasiten entfernten, kehrte sich die Verteilung der Mortalität gegenüber nicht behandelten Tieren um, was belegt, dass die Untermieter den entscheidenden Faktor darstellen.

Nach der Wurmkur waren die Böcke also nicht nur groß und stark, sondern auch noch gesund. Damit dürften sie im Kampf um die Weibchen wohl unschlagbar gewesen sein. Und übrigens: Auch beim Menschen scheinen Männer für so manchen parasitären Krankheitserreger deutlich anfälliger zu sein. Ob es sich dabei aber um aus Frauensicht Prachtexemplare und begehrte Heiratskandidaten handelt, steht in den Studien nicht. Aber das ist ja eh Geschmackssache.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.