Direkt zum Inhalt

News: Kleiner groß auf Tour

Wann verließ der Mensch seine Wiege in Afrika? Nachdem sein Hirnvolumen so groß geworden war, dass er sich an neue Umweltbedingungen anpassen konnte - lautet die bisher gängige Auffassung. Doch Schädelfunde in Georgien fordern diese Lehrmeinung heraus.
Bild
Irgendwann vor vielleicht zweieinhalb Millionen Jahren tauchte in Afrika ein Wesen auf, das heutige Anthropologen aufgrund seiner Menschenähnlichkeit bereits der Gattung Homo zuordnen. Der "geschickte Mensch" oder Homo habilis stellte schon eigene Werkzeuge her, verbreitete sich über den afrikanischen Kontinent und existierte etwa eine Million Jahre lang neben seinen Vettern aus der Gattung Australopithecus. Seine afrikanische Heimat verließ er jedoch vermutlich nicht.

Dazu war – so lautet zumindest die gängige Hypothese – erst sein Nachfolger Homo erectus, der "aufrechte Mensch", in der Lage, nachdem sein Gehirn genügend angewachsen war, um sich den neuen Gegebenheiten der anderen Erdteile zu stellen. Die Expansion muss ziemlich erfolgreich verlaufen sein: Auf der ganzen Erde finden sich Überreste dieses frühen Reisenden. Sein Gehirnvolumen von bis zu 1200 Kubikzentimter braucht den Vergleich mit dem seines Nachfolgers Homo sapiens nicht zu scheuen.

Doch jetzt tauchten weit weg von der afrikanischen Menschheitswiege – und zwar in Georgien – Funde auf, die dieses Szenario in Frage stellen. Abesalom Vekua von der Georgian Academy of Sciences und seine Kollegen entdeckten bereits im Jahr 2000 bei Dmanisi etwa 1,75 Millionen Jahre alte Schädelfragmente, die sie Homo erectus zuordneten. Das Volumen der Schädel erschien mit geschätzten 800 Kubikzentimeter zwar ziemlich klein, entsprach jedoch noch den bisher bekannten H.-erectus-Schädeln, sodass die Welt der Anthropologen in Ordnung blieb. Doch jetzt gruben die Wissenschaftler einen neuen Schädel aus, der so gar nicht in das bisher gültige Bild passen wollte: Mit nur 600 Kubikzentimeter war er nur halb so groß wie ein Schädel heutiger Menschen.

Damit ähnelt dieser frühe Bewohner Georgiens dem afrikanischen Homo habilis, der doch – laut bisheriger Lehrmeinung – für die weite Reise nach Asien noch nicht gewappnet war. Aber vielleicht genügte dafür bereits ein kleiner Kopf. David Lordkipanidze aus der Arbeitsgruppe schließt aus dem kleinen Schädel, dass "die Vergrößerung des Gehirns nicht der einzige Grund war, Afrika zu verlassen. Ich glaube, dass das Zusammenwirken mehrerer Faktoren – und nicht eine einzige Ursache – die Menschen aus Afrika trieb."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Science 297(5578): 85–89 (2002)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.