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News: Kletternder Zuwachs

In den tropischen Regenwäldern Amazoniens breiten sich immer mehr Lianen aus. Das könnte letztendlich sogar die Rolle der Wälder als Kohlenstoffsenke beeinträchtigen.
Lianenknoten
Tarzan hing besonders an ihnen: Mithilfe der holzigen Naturseile von Lianen schwang sich so mancher Darsteller des Helden johlend durch den Urwald, erreichte ohne Absturz sicher sein Ziel und rettete Jane oder sonstigen Mitspielern die gute Laune oder das Leben.

Dabei kommt die Gefahr, die von den Kletterpflanzen ausgeht, gar nicht zur Geltung. Sie nutzen auf ihrem Weg zum Licht die gut verankerten Baumnachbarn als Stütze und sparen so als Parasiten den das material- und energieintensiven Aufbau eines eigenen Stamms. Haben sie ihr Ziel erreicht und stehen auf den vielen eigenen Füßen ihrer Luftwurzeln, ist von ihrer ursprünglichen Kletterhilfe oft nur noch die Hülle oder auch gar nichts mehr vorhanden – langjähriges Würgen hat den einst mächtigen Urwaltriesen in die Knie gezwungen. Allein der umschlossene Hohlraum verrät noch die tragische Geschichte.

Und diese Tragödien nehmen offenbar zu, wie Oliver Phillips von der University of Leeds und seine Kollegen berichten. Bei einer gründlichen Arteninventur in 47 amazonischen Regenwaldgebieten von Peru, Bolivien und Ecuador stellten die Forscher einen deutlichen Anstieg der Lianendichte von jährlich 1,7 bis 4,6 Prozent innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte fest. Daten aus weiteren 37 tropischen Wäldern untermauern das Ergebnis.

Dabei handelte es sich um abgelegene Regionen; ein verstärktes Einwandern über Straßen, Kahlschläge oder kleine Siedlungsflächen, welche die pflanzlichen Pioniere besonders gern besiedeln, konnte also nicht dafür verantwortlich sein. Auch lokale Veränderungen des Klimas oder der Bodenverhältnisse erklärten den kletternden Zuwachs nicht.

Vielleicht sind die gestiegenen Kohlendioxidgehalte die treibende Kraft, denn Lianen reagieren auf ein Mehrangebot des Treibhausgases stärker als andere Pflanzen. Und damit könnte sich ein neues Problem in der Diskussion über die Rolle tropischer Wälder für das Abpuffern der wachsenden Kohlenstoffkonzentrationen ergeben: Nimmt die Zahl der Kletterplanzen zu, steigt auch die Sterblichkeit der großen Bäume um bis zu knapp 40 Prozent, wie die Forscher an 13 Standorten feststellen konnten.

Gerade die langsam wachsenden Urwaldriesen sind es jedoch, die als Speicher angesehen werden. Da Klimamodelle für die Amazonasregion zudem vermehrt saisonale Niederschläge vorhersagen, könnte der Vorstoß der Lianen zu einem Siegeszug werden – und auch wenn Tarzan sich dann noch ungehemmter durch die Wälder schwingen könnte, der Verlierer ist letztendlich der Mensch.

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