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News: Klima in der Achterbahn

Das Klima der letzten Eiszeit ähnelte einer Achterbahnfahrt. Zwei Klimaforscher haben nun eine Erklärung für die drastischen Temperaturwechsel gefunden. Mittels Computersimulationen zeigten sie, dass die Meeresströmungen des Atlantiks während der Eiszeit besonders instabil waren. Schon kleinste Störungen konnten damals einen Vorstoß der warmen Atlantikströmung ins Nordmeer und damit eine plötzliche Erwärmung von bis zu zehn Grad innerhalb eines Jahrzehnts auslösen. Das heutige Klima ist nach diesem Modell wesentlich stabiler - dennoch ist es durch den Treibhauseffekt gefährdet.
Die letzte Eiszeit begann vor etwa 100 000 Jahren und endete vor 10 000 Jahren. Die abrupten Klimawechsel, die innerhalb dieser Eiszeit immer wieder stattfanden, stellten bislang eines der großen Rätsel der Klimaforschung dar. Eisbohrungen in Grönland in den 80er Jahren hatten gezeigt, dass es mehr als zwanzig mal zu plötzlichen Erwärmungen um bis zu zehn Grad innerhalb eines Jahrzehnts gekommen war. Diese als Dansgaard-Oeschger-Ereignisse bekannten Klimaabweichungen erwärmten zumindest den gesamten Nordatlantikraum und dauerten jeweils einige hundert bis tausend Jahre an. Als Ursache nahm man von Anfang an Änderungen in den Atlantikströmungen an. Bohrungen in Tiefseesedimenten belegen dies. Ein konkreter, auch in Modellrechnungen nachvollziehbarer Mechanismus für diese Änderungen fehlte jedoch bislang. Zwar gab es zahlreiche Simulationen eines möglichen Zusammenbruchs der Atlantikströme – doch damit konnte man nur eine Abkühlung des Klimas erklären, nicht aber die warmen Dansgaard-Oeschger-Ereignisse. Außerdem kann nur eine massive äußere Störung, wie etwa eine große Schmelzwasserflut in den Atlantik, einen solchen Zusammenbruch verursachen.

Zwei Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Andrey Ganopolski und Stefan Rahmstorf, legen nun erstmals Rechnungen vor, die den charakteristischen Zeitverlauf und auch die räumliche Ausdehnung der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse korrekt wiedergeben (Nature vom 11. Januar 2001, Volltext). Die Berechnungen der beiden Forscher zeigen, dass es während der Eiszeit drei unterschiedliche Zustände des Atlantik geben konnte. Im normalen, kalten Zustand, der während der Eiszeit meistens herrschte, floss warmes Oberflächenwasser aus den Tropen nur bis südlich von Island, wo es seine Wärme an die Luft abgab, in die Tiefe sank und als kalter Tiefenstrom nach Süden zurückfloss. Auch möglich, wenngleich nicht stabil, waren jedoch noch zwei andere Strömungszustände: ein ungewöhnlich warmer Klimazustand, in dem das warme Atlantikwasser über Island hinaus bis ins Nordmeer vordrang – ähnlich wie im heutigen Klima –, und ein extrem kalter Zustand, in dem die Strömung völlig abriss. Die Potsdamer Forscher glauben, dass Dansgaard-Oeschger-Ereignisse einem plötzlichen Umschalten der Strömung vom Normalzustand in den warmen Zustand entsprechen, also einem episodenhaften Vordringen von warmem Atlantikwasser ins Nordmeer, das die im Grönlandeis gefundenen plötzlichen Erwärmungen erklärt.

Doch was war der Auslöser dieser dramatischen Strömungsänderung? Und weshalb gingen diese warmen Episoden immer nach einigen Jahrhunderten wieder vorüber? Systematische Analysen der Potsdamer Wissenschaftler zeigen, dass der Atlantik während der Eiszeit regelrecht auf der Kippe stand: Kleinste Störungen genügten, um die warme Strömung ins Nordmeer vordringen zu lassen. Da dieser Strömungszustand aber nicht stabil war, gingen die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse ganz von alleine wieder zu Ende. Der schwache Auslöser, der sich durch die damalige Instabilität des Atlantiks zu solch dramatischen Folgen aufschaukelte, könnte eine Schwankung in der Sonnenaktivität gewesen sein. Viele Indizien sprechen dafür, dass es einen Sonnenzyklus mit 1500-jähriger Periode gibt – Dansgaard-Oeschger-Ereignisse treten häufig genau im Abstand von 1500 Jahren auf.

Und im heutigen Klima? Seit Ende der letzten Eiszeit, also bereits seit zehntausend Jahren, sind so dramatische Klimawechsel nicht mehr aufgetreten. Auch dafür haben Ganopolski und Rahmstorf eine Erklärung. Denn in Warmzeiten ändert sich die Stabilität der Atlantikströmungen: Der warme Strömungszustand ist im Gegensatz zur letzten Eiszeit der stabile Normalfall, auch die Schwankungen in der Sonnenaktivität können ihm nichts anhaben. Der Atlantik steht in Warmzeiten nicht auf der Kippe. Grund zur Entwarnung ist dies aber nicht. Frühere Berechnungen mit demselben Modell zeigten bereits, dass eine hinreichend große Störung auch im vergleichsweise stabilen heutigen Klima die Atlantikströmung zum Abreißen bringen könnte. Eine solche folgenreiche Störung könnte durch den Treibhauseffekt entstehen, wenn die Menschheit weiterhin ungebremst Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre bläst.

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