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Konfliktforschung: Klimakriege zwischen den Völkern

In Gebieten mit unterschiedlichen Ethnien steigt durch Klimakatastrophen das Risiko für bewaffnete Auseinandersetzungen. Das zeigt nun eine Analyse globaler Daten. Der Klimawandel wird das Problem in bestimmten Regionen noch verschärfen.
Panzer auf ausgetrocknetem Boden

Es ist eine populäre These bei manchen Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten: Der Klimawandel hat Folgen weit über die Zerstörung durch Starkregen, Dürren oder andere Extremwetterereignisse hinaus. Er führt zu Konflikten in den am stärksten betroffenen Regionen, die in Gewalt, Krieg und Flucht münden. Eine neue Studie von Forschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) führt nun globale Daten zu wirtschaftlichen Schäden durch klimatische Katastrophen mit Konfliktdaten aus der Sicherheitsforschung und einem Index zur ethnischen Zersplitterung einer Region zusammen.

Die Analyse mit einer speziellen mathematisch-statistischen Methode zeigt: Klimakatastrophen erhöhen das Risiko für bewaffnete Konflikte in Vielvölkerstaaten. Dabei haben die Forscher den Klimawandel ausdrücklich noch nicht speziell berücksichtigt. Der Direktor des PIK, der renommierte Klimaexperte und Politikberater Hans Joachim Schellnhuber, der selbst an der Arbeit beteiligt war, sagt: "Unsere Studie liefert zusätzliche Beweislast für einen ganz besonderen Zusatznutzen der Klimastabilisierung: Frieden.“

Überrascht hat die Forscher, wie stark die Klimakonflikte von der ethnischen Vielfalt der betrachteten Region abhingen. Dieser Parameter spielte verglichen mit der religiösen Vielfalt, mit Korruption, Ungleichheit, Armut, der Gewalthistorie eines Landes und anderen eine wesentlich größere Rolle. Fast ein Viertel der Konflikte in Vielvölkerstaaten hänge mit Klimakatastrophen zusammen – und das bereits ohne die Effekte der globalen Erwärmung, die in der Zukunft immer wichtiger werden. "Die Klimaereignisse lösen zwar nicht direkt Konflikte aus", erklärt Carl-Friedrich Schleussner vom PIK und dem unter anderem von Greenpeace finanzierten Berliner Thinktank Climate Analytics, der die Studie als Erstautor verfasst hat. "Doch sie können das Risiko dafür erhöhen."

Nord- und Zentralafrika sowie Zentralasien als Risikogebiete

Die Studie betrachtet Zahlen zu 241 Konflikten aus den Jahren 1980 bis 2010. Die ökonomischen Schadensdaten zur Abschätzung der Schwere eines klimabezogenen Ereignisses stammen vom Rückversicherer Munich Re. Statistisch analysiert wird der Zusammenhang zwischen Klimaereignissen und Konflikten mit der so genannten Event Coincidence Analysis, einer Methode, die auch Neurowissenschaftler anwenden, um Korrelationen von Nervenimpulsen nachzuverfolgen.

Die Analyse kann zwar keine Risikoabschätzung für einzelne Länder liefern. Denn bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen sind in jedem einzelnen Fall schrecklich, in Summe aber doch so selten, dass sich damit keine statistischen Voraussagen treffen lassen. Dennoch erklären die Forscher, ihre Arbeit könne der Sicherheitspolitik eine Hilfestellung geben. Einige der am stärksten von Konflikten geplagten Regionen wie Nord- und Zentralafrika oder Zentralasien seien schließlich sowohl sehr anfällig für negative Effekte des Klimawandels als auch durch tiefe ethnische Spaltungen gekennzeichnet.

Von Klimakatastrophen direkt auf Konflikte zu schließen, ist zwar populär. Es birgt allerdings auch das Risiko vorschneller, weil attraktiv einfacher und politisch weithin gefälliger Erklärungsmodelle. So sprach sich im Februar das Deutsche Klimakonsortium (DKK), ein Zusammenschluss von 23 Forschungseinrichtungen zum Klimawandel und seinen Folgen, gegen die weit verbreitete These aus, der Krieg in Syrien sei auf eine durch die globale Erwärmung ausgelöste Dürre und eine daraus folgende Hungersnot zurückzuführen.

Syrien erlitt zwischen 2006 und 2010 eine extrem schwere Dürre. Sie führte in Teilen des Landes zu Missernten und verringerte den Viehbestand. Laut UN-Angaben verloren schätzungsweise 1,5 Millionen Bauern und Viehzüchter ihren Lebensunterhalt; viele von ihnen zogen in weniger betroffene Gebiete des Landes. Die Friedensforscherin Christiane Fröhlich stellte in einer beim DKK präsentierten Studie auf der Grundlage von Befragungen syrischer Bauern und Landarbeiter, die sie in jordanischen Flüchtlingslagern durchführte, fest: "Die vielfach propagierte einfache Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch in Syrien lässt sich so nicht halten." Zwar habe die Binnenmigration tatsächlich während der Dürre zugenommen, doch weder sei die Dürre ihr einziger Auslöser noch seien es "Klimamigranten" gewesen, die die Proteste in Syrien begannen.

Einfluss des Klimawandels "statistisch nicht signifikant"

Paul Becker, stellvertretender DKK-Vorstandsvorsitzender, erklärte ebenfalls im Februar, neben der jahrelangen Dürre in Syrien finde eine Zunahme der Dürren weltweit statt. Untersuchungen zeigten jedoch, dass der Einfluss des Klimawandels auf die Dürregefahr "statistisch nicht signifikant nachweisbar" sei. Als Grund nannte er die großen natürlichen Schwankungen bei den Niederschlagsmengen.

Auch das PIK gehört dem Deutschen Klimakonsortium an. Auf Anfrage bezüglich der neuen PIK-Studie heißt es beim DKK, es sei "keine Stellungnahme oder Einschätzung dazu vorhanden". Die Forscher um Schleussner und Schellnhuber weisen darauf hin, dass sie in ihrer Studie explizit die Anfälligkeit für die Folgen von Klimakatastrophen betrachtet haben – im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiten, die sich nur einzelne meteorologische Indikatoren wie Temperatur oder Niederschlagszeitreihen ansehen. Daraus könnten sich womöglich die beträchtlichen Meinungsverschiedenheiten bei diesem Thema in der Literatur erklären lassen. Sie plädieren für die Entwicklung neuer zusammengesetzter Indizes, die den Einfluss des Klimawandels mit dem Konfliktrisiko in Verbindung bringen.

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