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Klimawandel: Gletscherschwund jahrhundertelang nicht mehr umkehrbar

Selbst wenn die Klimaerwärmung noch abgemildert würde, könnten sich die Gletscher der Welt nicht mehr zeitnah erholen. Es dauert Jahrhunderte, bis sie wieder an Masse gewinnen. Noch ist aber Zeit für Schadensbegrenzung.
Eine Gletscherlandschaft mit schneebedecktem Vordergrund und einem Regenbogen, der sich über das Tal erstreckt. Im Hintergrund sind schroffe Berggipfel unter bewölktem Himmel zu sehen. Die Szene vermittelt eine ruhige, natürliche Schönheit.
Die Eiskappe Langjökull bildet den zweitgrößten Gletscher Islands. Weltweit drohen Eismassen auf Grund der globalen Erwärmung unwiederbringlich zu schrumpfen.

Weil die Menschheit die Klimaerwärmung weiterhin befeuert, ist das Schmelzen der weltweiten Gletscher nicht mehr aufzuhalten. Fachleute haben sich daher gefragt, ob sich die Gletscher erholen würden, wenn der Mensch erfolgreich gegensteuert und sich das Klima wieder stabilisiert oder sogar abkühlt. »Die Antwort lautet, dass das zu unseren Lebzeiten oder jener unserer Kinder leider nicht möglich ist«, sagt Fabien Maussion von der University of Bristol. Zusammen mit Lilian Schuster von der Universität Innsbruck und weiteren Forschenden hat er anhand von Modellierungen festgestellt: Sollte das Pariser 1,5-Grad-Ziel zeitweise überschritten werden, würden die Gletscher nicht nur mehr Masse verlieren und der Meeresspiegel stärker ansteigen, sondern es würde viele Jahrhunderte dauern, bis sich die Gletscher wieder erholt hätten. Zudem würde als Nebeneffekt während der Erholungsphase Wasser in den Gletschern gebunden werden, das dann als Trinkwasser fehlte. Wie die Forschergruppe im Fachjournal »Nature Climate Change« berichtet, sei es also dringender denn je, die globale Klimaerwärmung einzudämmen, um möglichst viel Gletschermasse zu erhalten und gravierenden Folgen des Schwunds vorzubeugen.

Schuster, Maussion und ihre Kollegen simulierten für ihre Studie so genannte Overshoot-Szenarien: Wie entwickeln sich die Gletscher, wenn die globale Temperatur bis zum Jahr 2150 um drei Grad Celsius steigen und erst bis 2300 wieder um 1,5 Grad sinken würde? Ein solcher Verlauf sei nicht unrealistisch, erklärt Maussion in einer Pressemitteilung. »Die derzeitigen Klimapolitiken steuern auf rund drei Grad Celsius zu.« Trete das genannte Overshoot-Szenario ein, würde die globale Gletschermasse bis 2200 um etwa 16 Prozent stärker schrumpfen und bis 2500 noch mal um rund elf Prozent als in einer Welt, die das 1,5-Grad-Ziel erreicht. Diese Werte würden zusätzlich zu den zirka 30 Prozent zu Buche schlagen, die selbst bei Einhaltung des Pariser Ziels von 2020 bis 2500 verloren gingen.

Erstens ist das Wasser weg, und zweitens bleibt es lange weg

Die Schmelze würde nicht nur den Meeresspiegel anheben, sondern langfristig auch für Wasserknappheit an Land sorgen, weil zwei Effekte die Situation verschärfen. Wenn Gletscher schmelzen, wird zeitweise viel Wasser freigesetzt – Fachleute bezeichnen den Zustand als »peak water«. Sollten die Gletscher wieder wachsen, binden sie Wasser – das dann aber nicht als Trinkwasser zu Verfügung steht. Die Fachleute um Schuster und Maussion haben dieses Phänomen »trough water« genannt. Gletscher dienen in vielen Regionen der Welt als natürliche Trinkwasserspeicher. Dieses Wasser würde vor allem in den heißen Jahresmonaten fehlen.

»Unsere Studie zeigt, dass etwa die Hälfte der betrachteten Einzugsgebiete nach 2100 solche Trough-Water-Phasen erleben könnte«, sagt Lilian Schuster a>. Um die Gletscher und ihre Speicherfunktion langfristig zu erhalten, müsse die Erwärmung dringend auf allerhöchstens 1,5 Grad begrenzt werden. Das »würde im Vergleich zu einem temporären Überschreiten auf drei Grad bis zum Jahr 2500 mehr als zehn Prozent mehr Gletschermasse bewahren«, sagt Schuster.

Doch auch das Pariser 1,5-Grad-Ziel könnte sich als zu optimistisch erweisen. Eine Studie, die Fachleute der University of Bristol und der Durham University einen Tag nach Schuster und Maussion in »Communications Earth & Environment« veröffentlichten, zeigt, dass der Grönländische und der Antarktische Eisschild schon jetzt zirka 370 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr verliert – bei einer derzeitigen Klimaerwärmung um rund 1,2 Grad. Wie frühere Warmzeiten belegen, würde selbst bei einer um 1,5 Grad erhöhten Durchschnittstemperatur der Meeresspiegel um einige Meter ansteigen. Beide Forschergruppen betonen deshalb: Je länger die Warmphasen herrschen, desto gravierender sind die Folgen.

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  • Quellen

Schuster, L. et al., Nature Climate Change 2025, doi: 10.1038/s41558–025–02318-w

Stokes, C.R. et al., Nature Communications Earth and Environment 6, 2025, doi: 10.1038/s43247–025–02299-w

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