Weltklima: Mit Grönlands Eisschild schmilzt unser Trinkwasservorrat
Der Klimawandel hat sich zwischen 2011 und 2020, dem wärmsten Jahrzehnt seit Beginn der weltweiten Aufzeichnungen, sprunghaft beschleunigt. Zudem sei das aktuelle Jahr voraussichtlich das wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Das geht aus einem neuen Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) hervor, der für die vergangenen zehn Jahre Rekordtemperaturen an Land und in den Ozeanen verzeichnet. Eine drastische Beschleunigung der Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels sind die bereits messbaren Folgen. So sei der mittlere globale Meeresspiegel vor allem wegen des rasch fortschreitenden Eismasseverlusts auf Grönland beschleunigt angestiegen.
Die 28. Weltklimakonferenz (COP28)
Vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 treffen sich die Vertreter von Regierungen, Unternehmen und NGOs in Dubai, um zum 28. Mal über den Klimaschutz zu beraten. Alle Infos zur Konferenz finden Sie in unserem Blog und auf unserer Themenseite.
Insbesondere die Polarregionen und das Hochgebirge sind laut dem Report »The Decadal State of the Climate 2011–2020« von tief greifenden Veränderungen betroffen. Langzeitmessungen von 42 »Referenzgletschern« zeigen, dass die Gletscher in der vergangenen Dekade eine niedrigere durchschnittliche Massenbilanz aufwiesen als in allen vorherigen Jahrzehnten. Einige der Referenzgletscher des WMO-Berichts seien bereits komplett abgeschmolzen, da der Winterschnee, der sie früher nährte, die Sommermonate nicht mehr überdauert. Auch direkt vor unserer Haustür in den Alpen sind die Veränderungen enorm.
Für die verbliebenen Gletscher in Äquatornähe soll der Rückgang besonders drastisch ausfallen. In der indonesischen Provinz Papua werden bis 2030 voraussichtlich keine Gletscher mehr existieren, und in Afrika werden die Gletscher in den Rwenzori-Bergen sowie auf Mount Kenia bis 2030 verschwunden sein. Die Gletscher auf dem Kilimandscharo könnten sich noch bis etwa 2040 halten. Alle 19 Hauptgletscherregionen, die der Bericht berücksichtigt, verzeichneten im vergangenen Jahrzehnt einen starken Schwund ihrer Eismasse.
So schrumpften die Gletscher im Beobachtungszeitraum pro Jahr um etwa einen Meter, was langfristig die Wasserversorgung von Millionen Menschen beeinträchtigt. Gleichzeitig habe der antarktische Kontinentalschild fast 75 Prozent mehr an Eis verloren als im vorherigen Jahrzehnt (2001–2010). Grönland und die Antarktis gelten mit fast 30 Millionen Kubikkilometern an Eisfläche als weltweit größtes Reservoir für Frischwasser. Im vergangenen Jahrzehnt habe Grönland jedoch 251 Gigatonnen Eis pro Jahr verloren, im Jahr 2019 verlor es sogar 444 Gigatonnen Eis, was die bisherigen Rekorde bricht. Insgesamt habe sich der Eisschwund im letzten Jahrzehnt um 38 Prozent beschleunigt. Für tiefer liegende Küstenregionen und Staaten sind das keine guten Nachrichten, denn wenn Eisschilde an Masse verlieren, steigt mittel- und langfristig der Meeresspiegel.
Klimawandel: Ozonschicht hat sich erholt
Als Hoffnungsschimmer hebt der Bericht hervor, dass das Ozonloch in der Antarktis zwischen 2011 und 2020 weniger stark gewachsen ist als in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten. Das Montrealer Protokoll scheint hier Wirkung zu zeitigen mit der Selbstverpflichtung teilnehmender Staaten, aus dem Einsatz Ozon abbauender Chemikalien auszusteigen. Der positive Befund wäre somit, dass konzertierte internationale Maßnahmen menschengemachten Faktoren des Klimawandels erfolgreich entgegenwirken können. Die Verfasser des WMO-Berichts erwarten, dass die Gesamtozonwerte in der Antarktis bis etwa 2065 wieder die Werte von 1980 erreichen werden. Bei den Frühjahrsozonwerten solle diese Schwelle sogar schon 2045 erreichbar sein, wenn die Staaten weiterhin auf ozonschichtschädigende Treibhausgase verzichten. Ein Haken könnte hier sein, dass sich nicht alle an die Spielregeln halten.
Der WMO-Bericht dokumentiert, dass extreme Ereignisse in diesem Jahrzehnt verheerende Auswirkungen auf Ernährungssicherheit, Vertreibung und Migration hatten. Er zeigt aber auch, wie Verbesserungen bei Prognosen, Frühwarnungen und koordiniertem Katastrophenmanagement und der Reaktion auf katastrophale Ereignisse einen Unterschied machen. Die Zahl der Todesopfer durch Extremwetterereignisse etwa ist laut dem Bericht zurückgegangen, was mit verbesserten Frühwarnsystemen zusammenhängt – die wirtschaftlichen Schäden durch Extremwetter hingegen haben offenbar zugenommen.
Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre
Etwa 10 000 Jahre lang, vor Beginn des Industriezeitalters, lag der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre nahezu konstant bei etwa 280 ppm (ppm: Anzahl der Moleküle des Gases pro Million Moleküle der trockenen Luft). Seitdem ist der CO2-Gehalt um fast 50 Prozent auf 413,2 ppm im Jahr 2020 angestiegen. Grund dafür: die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Abholzung von Wäldern und Veränderungen in der Landnutzung.
Der globale CO2-Durchschnitt über zehn Jahre hinweg lag im Zeitraum von 1991 bis 2000 bei 361,7 ppm, während er im Zeitraum von 2011 bis 2020 auf 402,0 ppm anstieg. In denselben Zeiträumen stieg die durchschnittliche Wachstumsrate von 1,5 ppm/Jahr und 1,9 ppm/Jahr auf 2,4 ppm/Jahr. Um das Klima zu stabilisieren und eine weitere Erwärmung zu verhindern, müssen die Emissionen nachhaltig reduziert werden.
Unser Wetter werde zunehmend extremer, was sich auf die Lebensumstände der Menschen und die globale wirtschaftliche Entwicklung auswirke, hält der Bericht fest. Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und Waldbrände schädigten laufend die Infrastruktur, zerstörten landwirtschaftliche Erträge und schränkten die Wasserversorgung in vielen Regionen der Welt bereits jetzt ein. Infolgedessen käme es zur Massenflucht der Betroffenen. »Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem das Risiko intensiver Hitze in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat«, ergänzt der Generalsekretär der Weltwetterorganisation, Petteri Taalas.
Hurrikan Katrina bleibt teuerste Wetterkatastrophe
Das vergangene Jahrzehnt sei das erste seit 1950, in dem es kein einziges kurzfristiges Ereignis mit mehr als 10 000 Todesopfern gab. Der Hurrikan Katrina von 2005 bleibt die bislang teuerste Wetterkatastrophe. Allerdings waren auch die vier folgenden besonders kostspieligen Ereignisse Hurrikane, und auch sie richteten auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika oder deren Territorien den größten Schaden an. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen: Von 27 Ereignissen mit wirtschaftlichen Schäden von über zehn Milliarden US-Dollar fanden im Jahr 2022 16 in den USA und acht in Ostasien statt. Die Hälfte dieser Ereignisse waren tropische Wirbelstürme, und auch Überschwemmungen und Waldbrände hatten verheerende Folgen. Von 13 bekannten Ereignissen, die jeweils mehr als 1000 Menschen das Leben kosteten, waren sechs Hitzewellen, vier Monsunüberschwemmungen oder damit einhergehende Erdrutsche und drei waren tropische Wirbelstürme.
»Wir müssen die Treibhausgasemissionen als oberste Priorität für den Planeten reduzieren, um zu verhindern, dass der Klimawandel außer Kontrolle gerät«Petteri Taalas, WMO-Generalsekretär
Die Gesamtschau des WMO-Berichts bleibt daher ernst, denn eine Umkehr des Trends zur Erwärmung sei nicht in Sicht, wie Taalas bei der COP28 betonte, wo er den Bericht vorstellte: »Mehr Länder meldeten Rekordtemperaturen als in jedem anderen Jahrzehnt. Unsere Ozeane erwärmen sich immer schneller, und die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs hat sich in weniger als einer Generation fast verdoppelt. Wir verlieren das Rennen um die Rettung unserer schmelzenden Gletscher und Eisschilde.« Jedes Jahrzehnt seit den 1990er Jahren sei wärmer gewesen als das vorherige, und dies sei laut Taalas eindeutig auf die vom Menschen gemachten Treibhausgasemissionen zurückzuführen. »Wir müssen die Treibhausgasemissionen als oberste und wichtigste Priorität für den Planeten reduzieren, um zu verhindern, dass der Klimawandel außer Kontrolle gerät«, lautet daher seine Botschaft gegenüber dem COP-Plenum und der Weltöffentlichkeit.
1,5-Grad-Ziel noch erreichbar
Der Bericht schließt nicht aus, dass das Einhalten der Klimaziele aus dem Pariser Abkommen weiterhin möglich ist. Allerdings hätten Extremereignisse im vergangenen Jahrzehnt bereits einige Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen torpediert. Solche Ereignisse hatten insbesondere auf die Ernährungssicherheit und Mobilität der Menschen Auswirkungen. So waren 94 Prozent aller Katastrophen im vergangenen Jahrzehnt wetter- und klimabedingt. Das unterstreicht laut dem Bericht die Notwendigkeit, Klimaziele zu setzen und einzuhalten. Positiv verzeichnet der Bericht, dass die öffentliche und private Klimafinanzierung sich zwischen 2011 und 2020 fast verdoppelt hat. Sie müsste sich jedoch bis 2030 weiter steigern und konkret mindestens versiebenfachen, um die Klimaziele zu erreichen. Die WMO fordert weitaus ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen, um den globalen Temperaturanstieg auf höchstens 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. – – –
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