Klimawandel: Warum Grönlands Küsten länger werden

Spätestens seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump richten sich die Augen – zumindest in der westlichen Welt – immer wieder auf Grönland: begehrt er doch das Eiland wegen seiner strategischen Lage und Rohstoffe. Und tatsächlich macht sich auf der autonomen, außenpolitisch von Dänemark vertretenen Insel ein dramatischer Wandel bemerkbar. Denn der Klimawandel und die dadurch ausgelöste Gletscherschmelze sorgen dafür, dass sich das Eis immer stärker zurückzieht und größere Teile der Küste und sogar ganze Inseln frei gibt. Mindestens 1620 Kilometer Küstenlinie wurden hier zwischen 2000 und 2020 frei gegeben, schätzen Jan Kavan und sein Team von der University of South Bohemia in Branišovská anhand von Satellitenbildern.
Das entspricht zwei Dritteln der insgesamt vom Eis befreiten Küsten auf der Nordhalbkugel. Angesichts der hoch aufgelösten Satellitendaten konnten die Wissenschaftler die Werte sogar bis zu einzelnen Gletschern und Küstenabschnitten hinab auflösen. Durch das Schmelzen des Zachariae-Eisstroms etwa wurden 81 Kilometer Ufer frei gelegt: mehr als doppelt so viel wie beim nächstgrößeren Ereignis.
Der Eisverlust wirkt sich auch an anderer Stelle aus: Auf der Nordhalbkugel finden sich nun mindestens 35 Inseln mit einer Fläche von mehr als 0,5 Quadratkilometern, die zuvor unter Gletschern verborgen waren – 29 davon rund um Grönland. Davon waren bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie 13 noch nicht auf Karten verzeichnet und wurden noch keiner Nation zugerechnet. Angesichts der momentanen Weltlage könnte dies durchaus Begehrlichkeiten wecken, befürchten die Forscher.
Die frischen Küsten unterliegen einem starken dynamischen Wandel, schreiben die Autoren: Sie werden vielerorts von starker Erosion gekennzeichnet, weil Schmelzwasser, Wellen oder andere Faktoren das von den Gletschern hinterlassene Lockermaterial ins Meer transportieren. Der Nährstoff- und Sedimenteintrag könnte dann wiederum die marinen Lebensräume beeinflussen, was jedoch in der Studie nicht untersucht wurde.
Die Gletscherschmelze hat zudem noch einen zweiten Effekt auf die grönländische Landmasse: Wegen des Gewichtsverlusts beginnen sich Teile der Insel zu heben – ein isostatischer Aufstieg genannter Prozess, der seit dem Ende der letzten Eiszeit beispielsweise auch in Skandinavien abläuft.
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