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Quantentechnik: Knoten mit Fernwirkung

Über gewaltige Abstände verschränkte atomare Teilchen könnten die Basis einer hundertprozentig abhörsicheren Kommunikationstechnik darstellen. Möglicherweise haben Forscher jetzt ein entscheidendes Bauteil dafür entwickelt.
Es ist der Traum für Institutionen wie Privatpersonen: Eine Botschaft oder wichtige Daten abhörsicher über das Internet zu verschicken und später auch noch zu wissen, ob der Empfänger sie wirklich erhalten hat. Was so futuristisch klingt, sehen Quantenphysiker in greifbarer Nähe: Mit Quantenkryptografie verschlüsselte Nachrichten wollen sie bald schon über große Distanzen per Teleportation verschicken. Nur ein theoretischer Traum?

Keinesfalls, wenn man der Theorie glaubt. Denn sowohl Kryptografie als auch Teleportation beruhen auf einem gut überprüften quantenmechanischen Phänomen: der Verschränkung. Verschränkung liegt dann zwischen zwei Teilchen oder Systemen vor, wenn diese nach einmaliger Wechselwirkung in der Folgezeit instantan spüren, was mit dem Partner geschieht – und dies über beliebige Distanzen hinweg. Sie tragen gemeinsam die Gesamtinformation ihres Systems und können durch neue Wechselwirkungen weitere Systeme in ihre Verschränkung aufnehmen und ihre Information an sie weitergeben.

Eine Verschränkungsleitung wird erstellt

Genau diesen Effekt machten sich Zhen-Sheng Yuan von der Universität Heidelberg und seine Kollegen nun zu Nutze. In ihrem Experiment verschränkten sie zwei Atomreservoirs – A und L1 – von denen jedes 108 Rubidiumatome enthielt. In einem zweiten Schritt verschränkten die Forscher zwei weitere Atomreservoirs, L2 und B miteinander.

Die Idee der Forscher war es, die zwei getrennten Systeme zu einer "Verbindungskette" zusammenzustecken, die die Reihenfolge A-L1-L2-B haben würde. Solche Verbindungsketten sind wertvolle Bausteine in der Quantenkommunikation, da sie es ermöglichen, Verschränkungen über sehr weite Distanzen aufrechtzuerhalten. Der Vorteil ist, dass Photonen dann bis zum nächsten Haltepunkt immer nur kurze Wege überwinden müssen – bei längeren Wegen werden sie schnell extrem störanfällig.

Aus zwei Reservoirs wird ein Knotenpunkt

Um die Reservoirs L1 und L2 in einen einheitlichen Zwischenknoten zu verwandeln, der die Verschränkung von A bis nach B weiterreicht, war einige Experimentierfähigkeit vonnöten. Zunächst wurden sowohl L1 als auch L2 jeweils mit einem Photon verschränkt. Dann wurden diese beiden Photonen noch einmal untereinander verschränkt. Das daraus resultierende Endphoton wurde zuletzt einer so genannten Bell-Messung unterzogen. Ein solcher Typ von Messung ermöglicht es, dass einerseits die beiden Photonen die Systeme L1 und L2 untereinander verschränken und andererseits aber die Informationen der Reservoirs quasi ausgelöscht werden. Ein komplizierter Prozess, der aber letztlich Erfolg zeigte.

Einen so genannten "quantum repeater node" hergestellt zu haben, der die Verschränkung von A nach B trägt, ohne zu stören, ist ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zur interkontinentale Quantenkommunikation. Andererseits wird diese Technologie erst richtig interessant, wenn man eine Verschränkung herstellen kann, die einmal um den Globus reicht. Dass das noch nicht funktioniert, liegt an der kurzen Speicherdauer der nodes. "Momentan können sie für nur etwa 1,5 Millisekunden die Verschränkung aufrechterhalten", sagt Thorsten Straßel von der Universität Heidelberg. Bei 65 Prozent Lichtgeschwindigkeit in den Glasfaserkabeln, die die verschiedenen quantum nodes verbinden, bedeutet das eine Distanz von 180 Kilometern.

Futuristische Kommunikationstechnik

Wenn die Forscher die Verbindungsketten jedoch noch weiter ausdehnen, so ließe sich eines Tages damit hundertprozentig sichere Informationen verschicken. Denn in einem verschränkten System merkt der Absender sofort, wenn unterwegs an einem der Knoten die Information abgehört wurde – die Verschränkung und somit die Leitung bricht sofort zusammen.

Auch die Teleportation von Daten und Botschaften würde über das Verbindungskabel funktionieren. Das von A nach B zu teleportierende Objekt würde dabei per Verschränkung an Ausgangscomputer A angeschlossen und dann wieder eine Bell-Messung am Gesamtsystem "Objekt-A-B" durchgeführt. Diese Messung verändert je nach Typ von Messung instantan den Endpunkt B. Schickt man nun von A aus über eine herkömmliche Telefonleitung oder das Internet die Information, auf welche Weise man selbst gemessen hat, kann der Empfänger an B daraus den Zustand des teleportierten Objekts rekonstruieren. Wer hier die Telefonleitung abhört, kann mit der so vermittelten Information nichts anfangen.

Mit der bislang erreichten Speicherdauer würden sich theoretisch 180 Kilometer überbrücken lassen – der derzeitige Übertragungsrekord liegt bei 144 Kilometern. "Um unser System für eine weltweite Kommunikation zwischen Quantencomputern einzusetzen, müssten die Speicher die Information für etwa 1000 Sekunden halten", erläutert Straßel. "Das ist nicht unmöglich, es gibt aber noch viel zu tun."

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