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News: Kohlenstoff-Nanoröhrchen 'mit Reißverschluss'

Erstmals ist einer internationalen Forschergruppe gelungen, jeweils zwei Kohlenstoff-Nanoröhrchen zu einem größeren Röhrchen zu verschmelzen. Sie verwendeten dazu den Elektronenstrahl eines Elektronenmikroskops. Dadurch war es ihnen möglich, sowohl zwei der extrem schmalen Nanoröhrchen miteinander zu verbinden, als auch das Zusammenwachsen dieser technisch interessanten, nanometerdünnen Graphitzylinder direkt zu beobachten. Damit haben die Wissenschaftler ein Verfahren entwickelt, mit dem Kohlenstoff-Nanoröhrchen in größeren und künftig sogar maßgeschneiderten Durchmessern hergestellt werden können.
Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind zylindrische Röhrchen mit einem Durchmesser von wenigen Nanometern. Sie bestehen aus graphitischen Schichten und haben ungewöhnliche Eigenschaften, die sie zu höchst interessanten Objekten für die Nanotechnologie gemacht haben. Von besonderem Interesse sind derzeit Röhrchen, die nur aus einer einzigen zylindrischen Lage von Kohlenstoff-Atomen bestehen. Diese sind – mit einem Durchmesser von nur einem Nanometer – die kleinsten jemals beobachteten röhrenförmigen Gebilde. Die Eigenschaften dieser Nanoröhrchen hängen entscheidend von ihrem Durchmesser und von der Ausrichtung ihres atomaren Netzwerks zur Achse der Röhrchen ab. Wissenschaftler sind deshalb schon länger daran interessiert, Nanoröhrchen in vorgegebenen Durchmessern herzustellen. Seit einiger Zeit ist man in der Lage, einschalige Kohlenstoff-Nanoröhrchen durch Hochtemperaturprozesse mit Hilfe von Katalysatoren herzustellen. Dabei entstehen meist nur Bündel von Nanoröhrchen, die alle den gleichen Durchmesser haben.

Deshalb wurde nach Möglichkeiten gesucht, Nanoröhrchen innerhalb eines solchen Bündels miteinander – gewissermaßen wie zwei Schlafsäcke – so zu vereinigen, dass dabei einschalige Röhrchen mit größeren Durchmessern entstehen. Dies gelang jetzt erstmals einer internationalen Forschunsgruppe um M. Terrones und H. Terrones (Universidad Nacional Autónoma de México), F. Banhart (Max-Planck-Institut für Metallforschung, Stuttgart), J.-C. Charlier (Université Catholique de Louvain, Belgien) und P.M. Ajayan (Rensselaer Polytechnic Institute, USA). In der Science-Ausgabe vom 19. Mai 2000 berichten sie über ihre neuen Ergebnisse. In einem leistungsfähigen Hochspannungs-Elektronenmikroskop am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung setzten sie gebündelte Nanoröhrchen dem Elektronenstrahl des Mikroskops aus, der zugleich die Abbildung im Elektronenmikroskop erzeugt. Um zu verhindern, dass die Nanoröhrchen bei diesem Elektronenbeschuss zerstört werden, wurde die Probe auf 700 Grad Celsius geheizt. Bei diesen Temperaturen können größere Bestrahlungsdefekte in den graphitischen Strukturen "ausheilen", so dass die Nanoröhrchen in ihrer Form weitgehend erhalten bleiben. Ein solches Bestrahlungsexperiment im Elektronenmikroskop hat zudem den großen Vorteil, dass strukturelle Änderungen der Nanoröhrchen sowohl auf atomarer Größenskala als auch in Echtzeit beobachtet werden können.

Im Verlauf der Experimente zeigte sich, dass zwei benachbarte Nanoröhrchen unter Elektronenbestrahlung spontan zu einem einzigen Röhrchen mit größerem Durchmesser verschmelzen können. Auffällig war jedoch, daß dies nicht bei allen benachbarten Röhrchenpaaren eintrat. Um den atomaren Ursachen für das unterschiedliche Zusammenwachsen der Nanoröhrchen auf die Spur zu kommen, führten die Wissenschaftler deshalb aufwendige Computersimulationen durch. Diese ergaben, dass zwei zusammenliegende Nanoröhrchen nur dann zusammenwachsen, wenn in beiden Röhrchen – gewissermaßen wie bei einem Reißverschluss – Atome entlang der Berührungslinie fehlen. Diese "Leerstellen" in den graphitischen Netzen entstehen durch den Elektronenbeschuss im Mikroskop. Dabei werden die Kohlenstoffatome durch Elektronenstoß aus ihren Positionen heraus verlagert. Die Rechnungen zeigten zudem, dass zwei Röhrchen nur dann zusammenwachsen können, wenn bei beiden die Atome in gleicher Symmetrie angeordnet sind. Da dies nicht bei allen Nanoröhrchen-Paaren der Fall ist, wird verständlich, warum nicht alle benachbarten Nanoröhrchen miteinander verschmelzen.

Mit ihrer Kombination von elektronenmikroskopischen Experimenten und Computersimulationen sind die Wissenschaftler auf eine Methode gestoßen, mit der einschalige Kohlenstoff-Nanoröhrchen zu größeren Röhrchen verschmolzen werden können. Das tiefergehende Verständnis dieser Vorgänge zeigt, dass nur Nanoröhrchen mit der gleichen atomaren Anordnung zusammenwachsen können. In weiteren Arbeiten soll nun untersucht werden, wie man mit dieser Methode größere Mengen von Nanoröhrchen-Paaren zu dickeren Röhrchen verschmelzen und für die Nanotechnologie nutzbar machen kann.

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