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Physik: Kollektive Verschränkung lässt »seltsames« Metall entstehen

Der elektrische Widerstand von einer Klasse sonderbarer Materialien stellt Forscher seit Langem vor ein Rätsel. Nun könnten sie es gelöst haben, der Quantenphysik sei Dank.
Phasenübergang

Für Quantenphysiker ist das Phänomen der Verschränkung fast schon ein alter Hut: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wissen Forscher, dass man Elementarteilchen auf diese spezielle Weise aneinander koppeln kann. Wenn man anschließend den Zustand eines der verschränkten Teilchen misst (etwa die Ausrichtung seines Spins), muss automatisch auch das andere Teilchen Farbe bekennen – selbst wenn es sehr weit von seinem Partner entfernt ist.

Mittlerweile haben zahlreiche Experimente gezeigt, dass das, was Einstein »spukhafte Fernwirkung« nannte, längst nicht nur zwischen zwei einzelnen Partikeln bestehen kann. Unter den richtigen Bedingungen erfasst die Verschränkung auch ganze Ensembles von Quantenobjekten. Ein spektakuläres Beispiel dafür präsentiert nun ein Team um Silke Bühler-Paschen von der TU Wien: Den Forschern zufolge lassen sich die sonderbaren Eigenschaften eines speziellen Festkörpers am besten durch eine gewaltige Kollektivverschränkung von unzähligen Ladungsträgern erklären.

Phasenübergang im Quantenreich

Bei dem untersuchten Material handelte es sich um eine spezielle chemische Verbindung mit der Bezeichnung YbRh2Si2. Sie zählt zur Klasse der »seltsamen« Metalle, deren elektrischer Widerstand bei niedrigen Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts bei minus 273 Grad Celsius nicht im sonst üblichen Maße abnimmt. Physiker erklären sich das mit exotischen Quantenfluktuationen, welche den Stromfluss durch das Material behindern können, ganz ähnlich, wie es die Bewegung der Atome bei höheren Temperaturen tut.

Die Forscher um Bühler-Paschen haben sich dem Phänomen mit Hilfe von Terahertzstrahlung genähert, mit der sie eine hauchdünne, aufwändig hergestellte Probe aus YbRh2Si2 durchleuchteten. Auf diese Weise konnten sie Rückschlüsse auf das Verhalten der Elektronen ziehen, die sich massenhaft durch das Material bewegen, wie die Forscher in »Science« berichten.

Am besten ließen sich die Messdaten erklären, wenn magnetische Fehlstellen und Leitungselektronen in hohem Maß miteinander verschränkt sind, Physiker sprechen vom Kondo-Effekt. Diese Form der Wechselwirkung scheint in der Nähe des Temperaturnullpunkts schlagartig die Oberhand zu gewinnen: In einem Moment ließen sich Elektronen und magnetische Anomalien noch getrennt voneinander beschreiben. Bei geringfügig anderer Temperatur sind ihre Zustände plötzlich aneinander gekoppelt, quer durch den ganzen Festkörper.

Die Forscher erhoffen sich von diesem überraschenden Phasenübergang Einsichten in das noch rätselhafte Verhalten von Hochtemperatur-Supraleitern: Sie können Strom gänzlich ohne Widerstand übertragen, erinnern in manchen Situationen aber auch an seltsame Metalle.

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