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Sinnesphysiologie: Kommissar Schnüffelnase

Unser Geruchssinn gilt als vergleichsweise unterentwickelt. Können wir trotzdem Gerüche allein mit der Nase orten? Und haben wir sogar eine Chance, unsere Geruchsperformance zu trainieren?
Ich kann nicht riechen. Ja, Tatsache, schon immer und vermutlich auch für immer. Warum? Keine Ahnung – nachdem der dritte HNO-Arzt ratlos mit den Schultern gezuckt hat, habe ich aufgegeben, es herausbekommen zu wollen und mich meinem Schicksal gefügt.

Für mich Nicht-Riecherin ist es daher ein großes Mysterium, wie "normale" Menschen Tausende von Gerüchen wahrnehmen können. Dass man die Richtung erkennen kann, aus der die Duftwolke herströmt, klingt mir dagegen verständlich. Wir orten schließlich auch Geräuschquellen mit unseren zwei Ohren, und durch unsere beiden Augen können wir räumlich sehen. Warum also sollten unsere zwei Nasenlöcher nicht Richtungsriechen möglich machen?

Doch die Wissenschaft braucht handfeste Beweise. Die zu finden, machten sich Jess Porter, Noam Sobel und Kollegen von der Universität von Kalifornien in Berkeley zur Aufgabe. Zuerst wollten sie wissen, ob das menschliche Schnupperorgan allein wirklich ausreicht, um eine Duftspur zu erkennen und ihr dann zu folgen. In voller Montur – ausstaffiert mit Augenmaske, Ohrenschützer, Handschuhen sowie Knie- und Ellenbogenpolster – ließen die Forscher ihre Versuchspersonen auf allen vieren über eine Rasenfläche kriechen (siehe begleitendes Video unter "Medien"). Anreiz für die Mühen: Die zu erschnüffelnde Schnur verströmte einen feinen Schokoladengeruch. Drei Viertel der 32 Probanden lockte das erfolgreich auf die Spur.

Vergleich Zick-Zack-Suchbewegung | Menschen und Hunde verhalten sich sehr ähnlich, wenn sie auf Geruchsspuren wandeln. Rechts ist ein Proband aus der aktuellen Studie beim Erriechen der Schoko-Spur zu sehen, links zum Vergleich die Bewegung eines Hundes, welcher der Geruchsspur eines Fasans folgt. Die Geruchsspur ist jeweils in gelb eingezeichnet, die Bewegung der Probanden in rot.
Um sicherzugehen, dass wirklich der Gesichtserker dafür verantwortlich war, wiederholten einige Teilnehmer die Prozedur mit verschlossener Nase (keine Sorge, auch wenn sonst fast alles verbarrikadiert war, der Mund war es nicht). Imposant das Ergebnis: Keinem gelang es, der Spur nachzukrabbeln.

Als nächstes untersuchten Porter und Co, ob ihre Versuchspersonen sich durch Üben in ihrem Schnüfflerauftritt verbessern. Dafür wiederholten zwei Männer und zwei Frauen das Experiment an drei Tagen jeweils dreimal täglich. Und tatsächlich, am Ende brauchten sie für die 10-Meter-Strecke nur noch halb so lange wie anfangs. Die Wissenschaftler haben auch eine Erklärung, warum: Je schneller die Teilnehmer die Stecke bewältigten, desto häufiger hatten sie geschnüffelt.

Überhaupt verhielten sich die Probanden in allen Versuchen unwillkürlich wie die so genannten makrosmaten Tiere – etwa Hunde –, denen wir gemeinhin einen viel besseren Geruchsinn als uns Menschen zuschreiben. So führten die Versuchspersonen die charakteristische Zick-Zack-Suchbewegung aus, die mit steigender Schnüffelfrequenz immer weniger von der geraden Duftspur abwich.

Die Wissenschaftler stellen denn auch die These auf, die vergleichsweise schmähliche Geruchsperformance von Homo sapiens liege zumindest teilweise in unserem Verhalten begründet und weniger im reduzierten Repertoire an Riechrezeptoren. Was lernen wir daraus: Würden wir Menschen nur häufiger schnüffeln, so könnten wir unseren vierbeinigen Begleitern gegenüber einiges wettmachen.

So weit das beobachtbare Verhalten beim Richtungsriechen. Nun wollten die Forscher aber auch den Mechanismus genauer aufklären. Da sie vermuteten, der Vergleich der Reize zwischen beiden Nasenlöchern könnte eine Rolle spielen, verstopften sie den Probanden im nächsten Durchlauf jeweils ein Nasenloch. Und wirklich, weniger Teilnehmer schafften es, die Spur zu finden. Außerdem brauchten diejenigen, denen es gelang, länger für die Strecke als vorher.

Doch das reicht nicht als Beweis, dass ein Nasenloch-Abgleich das Richtungsriechen verbessert, überlegten sich Porter und Kollegen. Vielleicht lag die schlechtere Darbietung ja lediglich daran, dass sich beim Schnüffeln weniger Geruchsmoleküle ihren Weg in die Nase bahnen konnten oder dass die Reizweiterleitung ins Gehirn gestört wurde. In einer vorangegangen Studie hatten sie nämlich herausgefunden, dass die Riechreize beider Nasenlöcher jeweils unterschiedlich ins Hirn geleitet werden.

Deshalb ersannen sie eine letzte Abwandlung des Versuchs. Die Teilnehmer durften sich diesmal einen, wie die Forscher es nennen, "nasalen Prisma-Apparat" vor die Nase schnallen. Frei nach dem Prinzip "Aus zwei mach eins" simuliert er ein einziges Nasenloch in der Mitte der Nase. Und auch damit waren die Probanden schlechtere Spürnasen als mit ihrem normalen Zwei-Nasenloch-Zinken.

Mit diesem Ergebnis dürfte nun ziemlich klar sein, dass unser Geruchsorgan nicht grundlos zwei Öffnungen besitzt und dass unsere Nasen wirklich in der Lage sind, Gerüche zu orten. Auch wenn das für mich selbst nicht gilt – ich will es gerne glauben. Meine eigene kleine Studie ergab jedenfalls einen sehr ähnlichen Befund: Ein Kollege leitete mich kürzlich dank charakteristischer Schnüffelbewegung zielsicher zu dem Zimmer, in dem die anderen schon mit Glühwein feierten.

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