Kommunikation: Delfine kommunizieren mit Fontänen aus Urin

Menschen betrachten das Pinkeln in der Regel als eine private Handlung. Aber für viele Tiere ist es ein wichtiges Mittel zur Informationsweitergabe – eines, das weit über die bloße Markierung des Territoriums hinausgeht. Und Forschende lernen immer mehr Formen der Urinkommunikation kennen.
»Tiere wollen im Allgemeinen so viel wie möglich über andere Tiere erfahren, zum Beispiel über ihr Geschlecht, ihre Dominanz, ihre Art und so weiter«, sagt Thomas Breithaupt, ein Sinnesökologe an der University of Hull in England. »Und viele Informationen sind im Urin enthalten.«
Kürzlich dokumentierten Forschende ein merkwürdiges Verhalten von Amazonasdelfinen (Inia geoffrensis): Sie urinieren in die Luft. Ein Männchen dreht sich an der Wasseroberfläche auf den Rücken und stößt einen Strom aus Urin in die Luft aus – und in fast 70 Prozent der Fälle, so berichtet das Team in Behavioural Processes, nähert sich ein Männchen in der Umgebung diesem spontanen Springbrunnen als »Empfänger«.
Die Forschenden spekulieren, dass männliche Delfine das Pinkeln in die Luft absichtlich nutzen könnten, um ihre »soziale Position oder ihren körperlichen Zustand« mitzuteilen, sagt Studienmitautorin Claryana Araújo-Wang, Biologin am Botos do Cerrado Research Project in Brasilien. Es sind weitere Experimente erforderlich, um genau herauszufinden, was hier passiert, sagt Joachim Frommen, Verhaltensökologe an der Manchester Metropolitan University in England, der nicht an der Studie beteiligt war.
Aber dies ist nur die jüngste in einer langen und vielfältigen Liste von Geschichten, die der Urin erzählen kann. Bei Primaten kann er Hinweise auf die Art, das Geschlecht und die Gruppenzugehörigkeit eines Individuums geben und »könnte sowohl die Erkennung von Individuen als auch das Finden von Paarungspartnern unterstützen«, sagt Marlen Kücklich, Verhaltensökologin an der Universität Leipzig. Einige Primaten waschen sich sogar mit ihrem eigenen Urin. Dieses Verhalten ist noch nicht vollständig geklärt, aber die Autoren einer Studie über Kapuzineraffen stellten die Theorie auf, dass Männchen hierbei über den Testosterongehalt in ihrem Urin Weibchen anlocken könnten.
In Gewässern verwenden einige Fische Urin, um vor einem Kampf ihre Größe und ihre Aggressivität zu signalisieren. Bei einigen Krebstieren wie Hummern, die aus dem Kopf pinkeln, kann der Urin auch Informationen über den sozialen Status und die Bereitschaft zur Paarung vermitteln. Weibliche Stichlinge erhalten Informationen über das Immunsystem eines Männchens, indem sie an dessen Urin riechen, und sie wählen in der Regel Männchen mit einem »Immunsystem, das mit ihrem eigenen vergleichbar oder kompatibel ist«, sagt Frommen.
»Wenn es um Kommunikation geht, konzentriert sich der Mensch immer auf visuelle und akustische Signale, weil wir visuelle und akustische Tiere sind«, fügt Frommen hinzu. Der Geruchssinn ist jedoch von entscheidender Bedeutung, auch wenn er bislang so wenig erforscht wurde, und Urin ist ein wichtiger Lieferant von Geruchsinformationen. In den letzten Jahren, so Frommen, »wurde den Menschen immer bewusster, dass wir uns auf einen sehr begrenzten Bereich der Kommunikation konzentrieren, sodass sich inzwischen immer mehr Studien mit dem Geruchssinn beschäftigen«.

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