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Smalltalk: Mit Fremden zu reden, tut gut

Ein Plausch auf der Parkbank, ein paar Worte im Wartezimmer: Mit unbekannten Menschen zu sprechen, ist angenehmer als gedacht.
Zwei Frauen unterhalten sich auf einer Parkbank

Fremde Leute anzusprechen ist hier zu Lande eher unüblich. Eine vertane Chance, wenn man zwei Psychologen von der Universität Amsterdam und der Universität Kopenhagen glauben darf. Denn schon ein kurzes Gespräch mit Unbekannten steigere das Wohlbefinden, berichten Paul van Lange und Simon Columbus in einem Forschungsüberblick: Das zeige sich bei Interaktionen mit Busfahrern, mit anderen Pendlern, mit der Person hinter der Theke, die den Kaffee verkauft, oder auch mit anderen Versuchspersonen in einem Experiment.

Ein Team um Simon Columbus hatte kürzlich das Verhältnis zu Unbekannten genauer unter die Lupe genommen. Mehr als 500 Versuchspersonen gaben zu diesem Zweck Auskunft über insgesamt rund 14 000 Begegnungen mit Fremden. Fazit: Die meisten verliefen positiv; nur 13 Prozent waren spürbar konfliktbeladen. Damit war das Verhältnis zu Unbekannten zwar im Mittel konfliktträchtiger als das zum Partner, zu Freunden oder Kollegen. Doch meist bestand ein gemeinsames Interesse, man war aufeinander angewiesen, die Machtverhältnisse schienen ausgeglichen, und all das förderte die Kooperation. »In der Regel sind Interaktionen mit Fremden ziemlich freundlich«, fassen van Lange und Columbus zusammen.

Dass ein Gespräch mit Unbekannten glücklicher macht als gedacht, zeigte bereits 2014 ein Experiment in Chicago. Bus- und Bahnpendler sollten einschätzen, wie sie sich fühlen würden, wenn sie einen fremden Mitreisenden ansprechen würden. Die meisten glaubten, die Fahrt würde dann weniger angenehm, als wenn sie wie üblich für sich blieben. Außerdem erwarteten sie, dass höchstens jeder zweite Angesprochene überhaupt mit ihnen sprechen wollen würde. Doch beides erwies sich als falsch, wie die Sozialforscher Nicholas Epley und Juliana Schroeder beobachteten.

Das Mittel gegen Frust sitzt in Reichweite

»Das Missverständnis ist besonders unglücklich, weil Pendeln durchweg als eine der unerfreulichsten Alltagserfahrungen beschrieben wird«, sagte Epley in einer Pressemitteilung. Dabei befände sich ein Mittel gegen den Pendlerfrust in Reichweite: auf dem Nachbarsitz.

Der Sozialpsychologe wiederholte das Experiment ein paar Jahre später in London, mit demselben Ergebnis: Bahnpendler fühlten sich besser, wenn sie auf der Fahrt mit Unbekannten sprachen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie sich selbst eher für extravertiert oder introvertiert hielten. Das bestätigte kürzlich auch ein Team türkischer Glücksforscherinnen und -forscher mit mehr als 1000 Versuchspersonen.

Laut Columbus und van Lange machen flüchtige Wortwechsel mit Fremden sogar ähnlich zufrieden wie eine Unterhaltung mit Freunden. Und nicht nur diejenigen profitieren, die das Gespräch suchen, sondern auch die Angesprochenen, die sich darauf einlassen. Überdies komme der Austausch zwischen Unbekannten der geistigen Fitness zugute, weil er soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen und Zurückhaltung erfordere. Die Psychologen vermuten allerdings, dass es für die meisten Menschen ein optimales Maß an Kontakt zu Fremden gibt. Mehr davon steigere das Wohlbefinden nicht weiter.

Anm.d.Red.: In einer früheren Version hieß es im zweiten Absatz, rund 7000 Personen hätten Auskunft gegeben. Tatsächlich handelte es sich in den zwei Teilstudien um je rund 7000 Begegnungen und nicht um die Zahl der Versuchspersonen. Wir haben den Fehler korrigiert.

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