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Kommunikationsverhalten: Fledermausjunge plappern wie Babys

Mit wiederholten Lautfolgen üben junge Fledermäuse, sich verständlich zu machen. So lernen sie - ganz ähnlich wie Menschenbabys - allmählich zu kommunizieren wie die Erwachsenen.
Ein Jungtier der Großen Sackflügelfledermaus

Junge Fledermäuse müssen erst ein wenig üben, um am Ende rufen zu können wie die Großen. Am Anfang brabbeln sie dabei noch ein wenig wie Menschenbabys, haben Forscher nun herausgefunden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten dafür Jungtiere der Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) belauscht. Ihre Entdeckung erlaubt nun vielleicht einen tieferen Blick in die zu Grunde liegenden neuronalen Prozesse – und am Ende womöglich einen besseren Blick auf die Lernprozesse, die sich beim Kommunikationsverhalten von jungen Säugetieren nach und nach abspielen.

Fledermäuse und Menschen haben sich über Millionen von Jahren unterschiedlich entwickelt, seit ihre Wege sich in der Evolution getrennt haben, sagt die Verhaltensforscherin Ahana Fernandez vom Berliner Museum für Naturkunde – da sei es »erstaunlich, dass ein so ähnliches Stimmtraining zum gleichen Ergebnis führt; dem Erwerb eines großen Stimmrepertoires«. Fernandez ist Koautorin der in »Science« veröffentlichten Studie.

Menschliche Babys brabbeln: Sie üben dabei Sprachlaute, die eine präzise motorische Kontrolle über den Kehlkopf erfordern. Ähnlich ist das bei jungen Singvögeln, sonst aber hat man bislang kaum weitere Beispiele für ein brabbelanaloges Verhalten bei Tieren aufzeichnen können. Die Fledermausstudie weist es nun erstmals bei einem Säugetier nach, das nicht zur Gruppe der Primaten zählt. Wie der Mensch muss auch die Fledermaus den Stimmapparat außerordentlich fein kontrollieren, sagt Fernandez: Die Tiere sind bei der Echoorientierung beim Navigieren und Jagen auf präzise Rufe angewiesen und kommunizieren untereinander komplex bei Balz und Paarung.

Brabbelnde Baby-Fledermäuse
Forscher haben Jungtiere der Großen Bartfledermaus (Saccopteryx bilineata) belauscht. In den wiederholten Lautfolgen lassen sich Silben erkennen; und insgesamt ähnelt das, was die Fledermäuse von sich geben, dem Brabbeln von Menschenbabys.

Die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen untersuchten das Kommunikationsverhalten von Jungtieren der Großen Sackflügelfledermaus, indem sie die 216 Laute von 20 wild lebenden Fledermausjungen in Costa Rica und Panama aufnahmen. Mit Ultraschallgeräten erfassten sie dabei einzelne »Silben« in den hohen Quietschlauten. Am Ende konnten sie so die meisten der 25 verschiedenen solcher Silben identifizieren, die auch im Stimmrepertoire erwachsener Fledermäuse zu hören sind.

Aus Spektrogrammen der Audioschnipsel konnte das Team dann die typische Tonhöhe und Intensität der Laute im Zeitverlauf ermitteln. Es erkannte darin schließlich alle der acht Schlüsselmerkmale, die ebenso das Lallen menschlicher Babys charakterisieren: etwa das Wiederholen von Silben und einen Lautrhythmus. Zur Überraschung der Forschenden lernten und produzierten sowohl männliche als auch weibliche Fledermäuse jene Silben, die erwachsene Männchen später bei ihrem Reviergesang einsetzen. Offenbar profitieren die Weibchen davon, diese Laute rufen zu lernen. Womöglich hilft ihre Erfahrung ihnen später im Leben bei der Entscheidung, mit welchen Kandidaten sie sich paaren wollen, vermuten die Autoren.

Die Ähnlichkeiten von Fledermaus und Mensch seien spannend, meint die Verhaltensforscherin Jill Soha von der Duke University in Durham, North Carolina – gerade im Hinblick auf die Unterschiede von menschlicher Sprache und der Art und Weise des Stimmeinsatzes von Fledermäusen. Soha beschäftigt sich mit der Stimmentwicklung von Singvögeln. Ohne die Tiere zu stören, hätten die Forscher des Fledermaus-Teams eine »beeindruckende Zahl« von Silben analysieren können.

Das Brabbeln, Lallen oder Stammeln der Fledermäuse ist im Prinzip seit Langem bekannt: Der Tierverhaltensforscherin Mirjam Knörnschild vom Berliner Museum für Naturkunde, Mitautorin der aktuellen Studie, war es schon vor mehr als 17 Jahren per Zufall aufgefallen, als sie an ihrer Magisterarbeit arbeitete. »Man hört die Fledermäuse und denkt gleich an Babys«, sagt sie. Sie hatte ihre Erkenntnisse mit Kollegen schon 2006 veröffentlicht; verschiedene Wissenschaftler waren aber skeptisch, ob es sich bei den Geräuschen um echtes Lallen handelt. Der neue Vergleich der Lautäußerungen der Fledermausjungen mit denen von menschlichen Säuglingen sollte solche Zweifel nun ausräumen, sagt Knörnschild.

Die Analyse der Gehirne der Fledermausjungen könnte den Forschern dabei helfen, die grundlegenden Prozesse zu untersuchen, die beim Erlernen der Stimme eine Rolle spielen, fügt sie hinzu. »Diese Fledermäuse geben uns im Grunde ein rotes Flaggensignal und rufen uns ›Ich lerne jetzt gerade!‹ zu.« Das erlaube es, unterschiedlichen Fragestellungen nachzugehen, sagt Knörnschild: »Was geht im Gehirn vor, während die Fledermaus plappert? Oder: Was für eine Umgebung braucht sie, um besser zu lernen?«

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