Tierische Kommunikation: Wasseramseln blinzeln ihre Rivalen in die Flucht

Die scheue und eher unauffällige Wasseramsel (Cinclus cinclus) gehört zu den unbekannteren heimischen Singvögeln, denn sie lebt nur an schnell fließenden Bächen und Flüssen, überwiegend im Bergland. Im Bereich um ihr Nest zeigt sie Präsenz durch den für Singvögel typischen Reviergesang. Die störende Geräuschkulisse des fließenden Wassers stellt sie dabei vor eine besondere Herausforderung. Wissenschaftler unter der Leitung von Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut in Seewiesen berichten jetzt über ihre ungewöhnliche Kommunikationsstrategie unter diesen schwierigen Verhältnissen.
Im komplexen Gesang der Wasseramseln erkennen Geübte mehrere hundert verschiedene Silben, die zu unterschiedlich langen Strophen – mit oder ohne Wiederholungen, Pausen oder Trillern – kombiniert werden können. Mithilfe von kalibrierten Mikrofonen fanden die Fachleute um Henrik Brumm heraus, dass die Vögel ihren Gesang dem Wasserrauschen anpassen: Je intensiver das Hintergrundgeräusch, desto lauter sangen die Wasseramseln, und sie beschränkten die Komplexität ihrer Melodien auf eher kurze, durchdringende Strophen mit Trillern. Derartiges Ansingen gegen Lärm kennt man von vielen Singvögeln im Siedlungsbereich des Menschen. Und auch wir sprechen in größerer Gesellschaft unwillkürlich lauter, um von unserem Gegenüber verstanden zu werden. Dieses 1911 durch den französischen Arzt Étienne Lombard erkannte Prinzip wird als Lombard-Effekt bezeichnet.
Verblüffend war, dass sich die Wasseramseln nur so lange nach dem Lombard-Prinzip verhielten, wie sie allein vor Ort waren. Sobald ein Rivale in Sichtweite kam, nahmen die Revierinhaber ihre Lautstärke deutlich zurück. Daher stellte sich die Frage nach alternativen Kommunikationsmitteln, beispielsweise visuellen Signalen. In dieser Hinsicht fällt das Augenzwinkern der Wasseramseln auf, deren durchgehend weiß gefiederten Augenlider – eine Besonderheit unter den Vögeln – sich kontrastreich vom Braun des Kopfes abheben. Deshalb erzeugt rhythmisches Schließen und Öffnen der Augen ein weißes Blinksignal.
Die durchschnittliche Frequenz ihres Zwinkerns lag mit fast 60-mal pro Minute dreifach über dem Wert der Amsel (Turdus merula). Die Bedeutung des Blinzelns im sozialen Kontext zeigten Experimente mit Lautsprechern, die einen Rivalen vortäuschten. Sobald eine Wasseramsel ihr Revier in Gefahr sah, flog sie aggressiv auf den Sender zu und zwinkerte dabei umso heftiger, je aggressiver sie sich dem vermeintlichen Rivalen näherte. Die Frequenz des Blinksignals stieg dabei um bis zu 30 Prozent im Vergleich zu weniger aufgeregten Individuen.
»Dieser Unterschied zeigt uns, dass es ein soziales Verhalten ist und nicht nur eine Reaktion auf Geräusche«Léna de Framond, Biologin
Im Anschluss daran testeten die Wissenschaftler, wie sich die Lautstärke des Gewässers auf die Blinkrate auswirkte – in An- oder Abwesenheit eines echten Rivalen. Das Blinzeln wurde nicht durch das Wassergeräusch beeinflusst; jedenfalls nicht, solange sich die Wasseramseln allein wähnten. Sobald aber ein Konkurrent auftauchte, blinzelten sie heftiger, und dabei korrelierte die Frequenz mit dem Geräuschpegel am Gewässer. Demnach ersetzt, so die Folgerung von Brumms Team, das Zwinkern in Anwesenheit von Rivalen den anstrengenden lautstarken Reviergesang.
An schnell fließenden, steinigen Gewässern können auch optische Störfaktoren wie Schaum, Spritzer oder Reflexionen auftreten. Dennoch ist laut den Autoren zu erwarten, dass sich das Blinzeln der Wasseramseln wegen seines rhythmischen Charakters von diesen eher unregelmäßigen Störfaktoren abhebt. Außerdem ist vom Wasser reflektiertes Licht polarisiert, was Vögel im Gegensatz zu Menschen wahrnehmen können. Dadurch zeichnen sich für sie die weißen Federn vermutlich noch deutlicher vor dem Gewässer ab.
Der Zusammenhang des heftigen Augenzwinkerns mit dem Revierverhalten ist eindeutig – wie das Blinzeln auf den Rivalen wirkt, wurde jedoch nicht untersucht. Bemerkenswert ist, dass die Wasseramsel akustische und optische Signale nicht parallel, sondern alternierend einsetzt: In Anwesenheit eines Rivalen wechseln die Vögel von lautem Gesang und langsamem Blinzeln zu leisem Singen bei gleichzeitig schnellem Zwinkern. »Dieser Unterschied zeigt uns, dass es ein soziales Verhalten ist und nicht nur eine Reaktion auf Geräusche – ein seltenes Beispiel für eine multimodale Verlagerung bei einem Wildtier, die durch Lärm ausgelöst wird«, sagte Léna de Framond, Erstautorin der Studie, in einer Pressemitteilung.
Ein vergleichbarer Wechsel vom akustischen zum visuellen Signal ist bei Vögeln bislang nur von der Dachsammer (Zonotrichia leucophrys) bekannt, die im Stadtgebiet bei sozialen Interaktionen heftiger mit den Flügeln flattert als im ländlichen Raum. Die Frage bleibt offen, ob das Phänomen tatsächlich selten ist oder bei anderen Vogelarten bislang übersehen wurde.
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