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Konfliktverhalten: Sind Bonobos gar nicht so friedlich wie gedacht?

Das Zusammenleben bei Bonobos gilt als äußerst harmonisch. Unter anderem werden Spannungen durch kurze, sexuelle Handlungen abgebaut. Doch womöglich sind Bonobos sogar noch aggressiver als die nicht gerade konfliktscheuen Schimpansen.
Kämpfende Bonobos
Bonobos leben in Großgruppen von bis zu 120 Individuen, in denen die Weibchen oft eine Führungsrolle übernehmen. Dabei sind die Beziehungen zwischen den Weibchen sehr eng, während die Männchen untereinander weniger Zusammenhalt zeigen.

Bonobos, auch Zwergschimpansen genannt, zeigen im Vergleich zu anderen Menschenaffen ein besonderes Sozialverhalten: So genießen die Weibchen meist den höchsten Status innerhalb der Gruppe. Außerdem lösen sie Konflikte häufig mit sexuellen Handlungen. Im Vergleich zu ihren nahen Verwandten, den Gemeinen Schimpansen, galten Bonobos bislang als die deutlich friedlicheren Tiere. Doch Feldversuche zeigen, dass sie wohl aggressiver sind als bislang angenommen: Ein Forschungsteam um Maud Mouginot von der Université Toulouse Capitole in Frankreich konnte beobachten, dass männliche Bonobos in Konfliktsituationen viel häufiger angriffslustig sind als Schimpansen.

Die Wissenschaftler untersuchten das Konfliktverhalten von 12 männlichen Bonobos aus drei Gemeinschaften im Kokolopori Bonobo Reserve in der Demokratischen Republik Kongo mit jenem von 14 Schimpansen-Männchen aus zwei Gemeinschaften im Gombe Stream National Park in Tansania. Dafür verfolgten sie Individuen jeweils einen ganzen Tag lang und notierten, wie oft es zu aggressiven Interaktionen kam, mit wem diese stattfanden und ob sie körperlich waren oder nicht – beispielsweise, ob das angreifende Tier sein Gegenüber schubste, biss oder einfach nur verfolgte.

Überraschenderweise, so schreiben die Forschenden, kam es bei Bonobos 2,8-mal öfter zu aggressivem Verhalten. Zudem beobachteten die Fachleute dreimal so viele körperliche Angriffe. Während männliche Bonobos fast ausschließlich gegenüber anderen Männchen aggressiv waren, trat ähnliches Verhalten bei den Schimpansen eher gegenüber Weibchen auf. Die Schimpansen bildeten dabei in rund 13 Prozent der Fälle Allianzen mit anderen Männchen, während es bei Bononos sehr selten zu Zusammenschlüssen kam. Letztere tragen Konflikte also eher unter vier Augen aus. Da die Affen nur jeweils einen Tag beobachtet wurden und die Stichprobe relativ klein war, könnten die beobachteten Verhaltensweisen jedoch nicht repräsentativ sein.

Das Forschungsteam untersuchte auch, wie sich das aggressive Verhalten auf die Paarung auswirkte: Sowohl bei Schimpansen als auch bei Bonobos hatten die konfliktbereiten Männchen eher Paarungserfolg. Dabei weisen beide Arten unterschiedliche Sozialstrukturen auf: Während bei Gemeinen Schimpansen männliche Hierarchien vorherrschen, in denen mitunter Koalitionen die Weibchen zur Paarung zwingen, geben bei Bonobos eher die Weibchen den Ton an.

Die Ergebnisse widersprechen in Teilen der so genannten Selbstdomestizierungshypothese. Sie besagt, dass bei Bonobos und Menschen, nicht aber bei Schimpansen, vorwiegend friedliebendere Tiere zur Paarung gewählt werden. Doch die Beobachtungen zeigen: »Männliche Bonobos, die aggressiver sind, haben mehr Kopulationen mit Weibchen«, sagt Maud Mouginot. »Das bedeutet, dass sich die Weibchen nicht unbedingt für die netteren Männchen entscheiden.«

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  • Quellen
Current Biology, 10.1016/j.cub.2024.02.071, 2024

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