Direkt zum Inhalt

Nanotechnologie: Kontrollierte Minibiegung

Wir kennen sie von piepsenden Glückwunschkarten und lästigen Handys: Piezokristalle verändern ihre Form, wenn sie unter elektrischer Spannung stehen. Genau das Richtige, um in der Nanotechnologie für Bewegung und empfindliche Detektoren zu sorgen.
Wenn es so richtig winzig wird, verlangen altbekannte Probleme nach neuen Lösungen. Vor diesem Dilemma steht die viel im Voraus gelobte Nanotechnologie jeden Tag – und kommt deshalb nicht aus den Startlöchern. Batterien und Akkus als Energiespender, Drähte als elektrische Leiter und Elektromotoren als Antrieb – sie alle sind im Maßstab der tausendstel und millionstel Millimeter ungeeignet. Und so müssen die Ingenieure für die erwartete Technik der Zukunft praktisch alles neu erfinden. Und wenn es nur darum geht, ein klein wenig mit einem Zeiger zu wackeln.

Dabei ist das Prinzip, mit dem sich kontrollierte Bewegungen im Nanobereich verwirklichen lassen, schon seit über 100 Jahren bekannt. Die Brüder Jacques und Pierre Curie stellten 1880 fest, dass bestimmte Stoffe unter Druck eine elektrische Spannung aufbauen. Und umgekehrt lässt dieser piezoelektrische Effekt die Materialien schrumpfen oder wachsen, wenn man die Spannung von außen anlegt.

Dafür verantwortlich ist der besondere Aufbau der Kristalle, in denen bei Belastung die Schwerpunkte der positiven und der negativen Ladungen gegeneinander verschoben werden. Das ist zum Beispiel beim Quarz der Fall, in dem positive Siliziumionen und negative Sauerstoff-Ionen ein Gitter bilden, dessen Elementarzellen nicht so symmetrisch aufgebaut sind, dass sich bei Druck die Verschiebungen gegenseitig aufheben würden. Stattdessen entstehen unzählige kleine Dipole, die sich an den Kristallkanten zu einer messbaren elektrischen Spannung aufaddieren.

Technisch genutzt wird dieser Ablauf meistens in umgekehrter Richtung: Ein anliegendes elektrisches Wechselfeld regt den Kristall zu Kontraktionen und Elongationen an und bringt ihn bei passender Frequenz dadurch zum Schwingen. Als winziger Lautsprecher quäkt er in zahllosen Wegwerfartikeln gräuliche Versionen der "Kleinen Nachtmusik" oder gibt in Digitaluhren präzise den Takt der Zeit vor. Und in Zukunft könnten piezoelektrische Halbleiter vielleicht der Nanotechnologie auf die Sprünge helfen.

Einen wichtigen Fortschritt auf diesem Weg hat nun ein Team von Wissenschaftlern um Sotiris Masmanidis vom California Institute of Technology gemacht. Die Forscher entwickelten einen piezoelektrischen Hebelarm, der mit Ausmaßen von 4 Mikrometern (tausendstel Millimetern) Länge, 0,8 Mikrometern Breite und 0,2 Mikrometern Dicke nicht nur so winzig wie ein Bakterium ist, sondern dessen Eigenschaften sie bei der Herstellung weitgehend vorgeben können.

Der Hebel besteht aus Galliumarsenid, dessen Ober- und Unterseite speziell behandelt wird. Als Halbleiter kann das Material nämlich Fremdatome mit zusätzlichen Elektronen aufnehmen oder solche mit freien Plätzen für Elektronen, sogenannten "Löchern". Es entstehen Schichten vom n-Typ (mit Zusatzelektronen) und vom p-Typ (mit "Löchern"). Verbleibt dazwischen eine unbehandelte "intrinsische" Region, handelt es sich um eine PIN-Diode (p-Typ – intrinsisch – n-Typ), also ein Sandwich, das durch seinen Aufbau auf elektrische Felder reagiert.

Allerdings würde solch ein PIN-Hebel sich noch nicht verbiegen, da jede Längenänderung der intrinsischen Mitte sich gleich stark nach oben wie nach unten auswirken würde. Doch die Nanotechniker verschoben mit einem Trick das Gleichgewicht der Kräfte: Sie machten eine der beiden manipulierten Schichten deutlich dicker als das Gegenüber. War beispielsweise die obere n-Typ-Schicht mächtiger, dehnte sich beim Anliegen einer Spannung mehr piezoelektrisches intrinsisches Galliumarsenid unterhalb der Hebelmitte aus, und der Arm bog sich nach oben. Umgekehrt bewegte er sich nach unten, wenn die dortige p-Typ-Lage mächtiger war. Die gezielte Verunreinigung (Dotierung) des Halbleiters gibt den Forschern somit die Kontrolle über die Richtung, in welche das Bauteil sich bewegt.

Wie empfindlich der Hebel dabei auf elektrische Felder anspricht, demonstrierten die Wissenschaftler mit einem weiteren Versuch. Sie legten eine schwache Wechselspannung an das Bauteil an und verfolgten mit einem Laserstrahl dessen Schwingungen. Viel Energie war nicht nötig, um den Nanohebel zum Vibrieren zu bringen – es reichte eine Spannung aus, die einem einzigen Elektron Unterschied zwischen Ober- und Unterseite entsprach. Eine Sensibilität, die beinahe in den normalen Zitterbewegungen durch die Umgebungstemperatur untergeht.

Für kleine Schiebereien und penible elektrische Messungen könnten gezielt unsymmetrisch dotierte Piezobauteile durchaus sorgen. Alleine damit ließe sich zwar noch kein Nanoroboter konstruieren, aber der Bauteilekasten dürfte um ein wichtiges Element reicher sein.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.