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News: Kosmische Lupe

Durch Zufall ermöglichte eine Gravitationslinse in der Sichtlinie zwischen der Erde und einem extrem weit entfernten Objekt einen unerwartet tiefen Einblick in die Gasverteilung im Zentrum eines Quasars.
Struktur eines Quasars
Quasare - oder quasi-stellar objects - sind die leuchtkräftigsten Objekte am Rande des bekannten Universums. Ihre Helligkeit kann die Sonne um das Billiarden-fache übertreffen. Sie strahlen ungeheure Mengen an Energie ab, die dadurch entsteht, dass Materie in die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum dieser frühen Galaxien fällt. Das dabei hell aufleuchtende Gas macht die Quasare zu kosmischen Leuchtfeuern, die es ermöglichen, mit Hilfe von Teleskopen tief in die Vergangenheit und damit in die Anfangszeit des Universums zurück zu blicken.

Astrophysiker interessieren sich heute jedoch besonders für die Wärmestrahlung der Quasare. "Die Wärmestrahlung ist ein starkes Indiz dafür, dass dort extrem viele Sterne entstehen. Die Messungen deuten darauf hin, dass die Sternentstehungsrate in Quasaren tausendmal höher ist als in 'normalen' Galaxien wie unserer Milchstrasse", erläutert Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Zusammen mit Kollegen hat der Forscher in zwei fernen Quasaren - einer davon, SDSS J1148, ist der bislang am weitesten von der Erde entfernte Quasar - große Mengen Staub, also Material nachweisen können, aus dem sich neue Sterne bilden.

Mit Hilfe eines "kosmischen Vergrößerungsglases" ist es der internationalen Forschergruppe nun gelungen, einen genaueren Blick in das Innenleben des gleichfalls extrem weit entfernten Quasars PSS J2322 zu werfen. Eine zufällig auf der Sichtlinie von der Erde zu diesem Quasar liegende Linse bündelt durch ihre Gravitation die Wärmestrahlung des Quasars zu einem so genannten "Einstein-Ring", ein Gravitationseffekt, der von Albert Einstein 1936 als Konsequenz seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, aber für sehr unwahrscheinlich gehalten wurde.

Dabei verbiegt die Schwerkraft einer Galaxie das Licht eines Objekts, das sich genau hinter ihr befindet. Der Beobachter sieht dann das Objekt mehrfach, weil die Lichtstrahlen unterschiedliche Wege nehmen. Befinden sich das Objekt, die Gravitationslinse und der Beobachter sogar exakt auf einer Linie, werden die Lichtstrahlen des hinteren Objekts zu einem perfekten Ring, einem Einstein-Ring, um die Galaxie abgelenkt. Die erste Gravitationslinse entdeckte man im Jahre 1979, den ersten Einstein-Ring 1987. Mit PSS J2322 wurde der bisher am weitesten entfernte Einstein-Ring nachgewiesen.

"Solche starken Gravitationslinsen sind äußerst selten", meint Chris Carilli vom National Radio Astronomical Observatory, der die hochauflösenden Beobachtungen des Einstein-Rings am Very Large Array in der Wüste Neu-Mexikos durchführte. "Schon nach den ersten Bolometer-Messungen mit dem 30-Meter-Teleskop des Institut de Radioastronomie Millimétrique bei Granada in Spanien, bei denen das Objekt ungewöhnlich hell erschien, hatten wir eine Gravitationslinse vor diesem Quasar vermutet. Dass aber die Linse direkt vor dem Quasar sitzt und dadurch die Strahlung in einen schönen Einstein-Ring auffächert, übertraf dann doch bei weitem unsere Erwartungen."

Da der Quasar zu weit entfernt ist, kann die Verteilung des Gases nicht durch direkte Beobachtung bestimmt werden. Erst die bündelnde Gravitationskraft eines bislang noch nicht identifizierten davor liegenden Objekts erlaubte es den Forschern, im Fall des Quasars PSS J2322 die relative Position des Schwarzen Lochs und der umgebenden Gaswolken zu bestimmen. Befände sich das Gas sehr nahe am Schwarzen Loch, wäre die beobachtete Strahlung des warmen Staubs oder der Kohlenmonoxid-Moleküle ähnlich verteilt wie die optisch sichtbare Strahlung des kompakten Quasars: zwei punktförmige Objekte in einem Abstand von etwa zwei Bogensekunden, das entspricht einem Tausendstel des scheinbaren Monddurchmessers.

Tatsächlich aber verteilt sich die Wärmestrahlung durch die Ablenkung im Gravitationsfeld der Vordergrundgalaxie auf einen runden Ring. Aus der Größe und relativen Position des Rings und der optischen Abbildung des Quasars konnten die Wissenschaftler ableiten, dass Staub und Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von etwa 12 000 Lichtjahren verteilt sind. Hingegen konzentriert sich das Schwarze Loch mit seinem umgebenden heiß leuchtenden Gas auf eine Region von wenigen Lichttagen.

Somit sehen sich Bertoldi und seine Kollegen bestätigt: "Dieser Glücksfall eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars hat unsere Vermutung untermauert, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare in großer Zahl neue Sterne entstehen. Denn die Strahlungsintensität der Wolken ist so groß, dass sie bei einem so großen Abstand zum Schwarzen Loch nicht mehr durch dieses selbst verursacht werden kann."

"Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach dem Urknall in den ersten uns sichtbaren Galaxien existiert haben, hätte vor zehn Jahren noch niemand vermutet", meint Bertoldi. "Die schweren Atome, aus denen der Staub und das Kohlenmonoxid-Gas bestehen, wurden durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen erzeugt. In der ursprünglichen kosmischen Materie gab es nur Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium, aber weder Sauerstoff noch Kohlenstoff. Nun scheint es sicher, dass die ersten massereichen Sterne am Ende ihres kurzen kosmischen Lebens mit gewaltigen Explosionen oder starken Winden viele schwere Atome in das umliegende Gas gemischt haben. Somit gab es in diesen Gebieten bereits nach wenigen hundert Millionen Jahren ähnliche Anreicherungen von Kohlenmonoxid und Staub, wie wir sie heute, 13,6 Milliarden Jahre später, im interstellaren Gas benachbarter Galaxien noch immer vorfinden."

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