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Kosmologie: Dunkler Sektor könnte Wurmlöcher stabilisieren

Bisher hielten Physiker nur mikroskopisch kleine Abkürzungen durchs Raum-Zeit-Gefüge für plausibel. Nun skizzieren zwei angesehene Theoretiker einen Weg, wie auch Menschen durch Wurmlöcher reisen könnten.
Wurmloch (Illustration)

Mit Wurmlöchern kann man das Weltall mit seinen aberwitzig großen Abständen gewissermaßen aufs Kreuz legen: Man nutzt einfach eine Abkürzung durch das Raum-Zeit-Gefüge – und kann so im Nu gigantische Strecken zurücklegen. Möglich machen es zwei Schwarze Löcher, deren Singularitäten die Raumzeit so stark eindrücken, dass sich ein Tunnel zwischen ihnen bildet.

Vermutlich ist das Ganze jedoch nur eine Sache für Sciencefiction-Geschichten, denn die bekannten Gesetze der Physik legen der Idee große Steine in den Weg. So erfordern bereisbare Wurmlöcher zum Beispiel negative Energie in ihrem Inneren, da sie sonst gegen eine Prämisse von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie verstoßen würden (die so genannte Null-Energie-Bedingung). Bisher ließ sich dieses Problem nur für mikroskopisch kleine Wurmlöcher umschiffen.

Juan Maldacena vom Institute of Advanced Study und Alexey Milekhin von der Princeton University wollen nun einen Weg ausheckt haben, der auch größere Wurmlöcher denkbar macht. Dazu muss man allerdings komplizierte Annahmen über den »dunklen Sektor« des Universums treffen, in dem Experten rätselhafte Phänomene wie Dunkle Energie und Dunkle Materie verorten. Bestünde dieses unsichtbare Schattenreich teilweise aus Energiefeldern, die in eine hypothetische vierte Raumdimension eindringen, könnte das die fragilen Raumzeittunnel stabilisieren, schreiben die beiden Theoretiker in einem noch nicht von Gutachtern geprüften Fachaufsatz.

Eine entsprechende Erweiterung für die Regelwerke von Teilchenphysik und Kosmologie ist seit Jahrzehnten im Gespräch, doch bisher fehlte der experimentelle Nachweis. Maldacena und Milekhin wollen nun hergeleitet haben, dass dieses Randall-Sundrum-Modell größere Wurmlöcher ermöglicht. Mehr noch: Die Gezeitenkräfte beim Fall in den Tunneleingang – ein Schwarzes Loch mit einigen hundert Sonnenmassen – wären für einen Menschen gerade noch beherrschbar. Binnen einer Sekunde könnte er oder sie dann große Teile unserer Galaxie durchqueren und würde bei einem anderen Schwarzen Loch wieder ausgespuckt.

Der Trip hätte allerdings einen Preis: Im Rest des Universums würde die Zeit viel schneller vergehen. Was für den Wurmlochreisenden wie eine Sekunde erschiene, würde für alle Beobachter außerhalb zehntausende Jahre dauern. Daher wären alle Menschen, die der oder die Reisende gekannt hätte, längst verstorben, wenn er oder sieder das Wurmloch wieder verlässt, geben die Forscher zu bedenken. Auch dürften im Tunnel des Wurmlochs keinerlei anderen Teilchen umherfliegen, da diese sonst extrem beschleunigt und den Durchgang für Menschen lebensgefährlich machen würden.

Ohnehin können sich die beiden Physiker laut eigener Aussage nicht recht vorstellen, wie sich Materie an zwei Orten der Raumzeit in genau die richtige Verfassung und Ausrichtung für solch eine Reise bringen ließe. Die Entstehung der von ihnen skizzierten Wurmlöcher könnte also physikalisch unmöglich sein. Folglich geht es den Forschern weniger um konkrete Hinweise für die Astrophysik, als darum, den Raum der mathematischen Möglichkeiten ein Stück zu erweitern, wie sie in ihrem Fachaufsatz deutlich betonen.

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