Kosmologie: »Fehlende Materie« im Universum aufgespürt

Mit den Röntgenteleskopen XMM-Newton der ESA und Suzaku der japanischen JAXA gelang es, zwischen vier Galaxienhaufen ein Filament aus heißen Gasen nachzuweisen, das ungefähr die zehnfache Masse unseres Milchstraßensystems enthält. Derartige Strukturen könnten dazu beitragen, das Rätsel der fehlenden Materie im Universum zu erklären. In diesem Fall geht es aber nicht um die Dunkle Materie oder die Dunkle Energie, die nach wie vor völlig rätselhaft sind, sondern um fehlende gewöhnliche (baryonische) Materie, aus der auch wir bestehen. Die gewöhnliche Materie macht zirka fünf Prozent der Materie im Universum aus, doch auch von dieser kennen wir nicht alles. Tatsächlich fanden bisherige Beobachtungen nur etwa zwei Drittel der erwarteten baryonischen Materie im Universum, ein Drittel fehlt bislang und ist eines der vielen Rätsel der Kosmologie.
Wo aber verbirgt sich das fehlende Drittel? Laut einigen Theorien gibt es zwischen den Galaxienhaufen, die zu den größten Strukturen im Kosmos gehören, Filamente aus heißem Gas. In ihnen könnte sich ein signifikanter Anteil der gewöhnlichen Materie verstecken. Solche Filamente wurden schon entdeckt, allerdings war es bislang nicht möglich, Aussagen zu ihren Massen zu machen. Die Interhaufenfilamente sind sehr leuchtschwach und ihr Leuchten wird von Galaxien und anderen Galaxienhaufen im Vorder- und Hintergrund überlagert, was ihre Analyse erschwert.
Hier kommen nun Suzaku und XMM-Newton ins Spiel. Mit ihnen beobachteten die Fachleute einen Abschnitt des Shapley-Supergalaxienhaufens, der mehr als 8000 Welteninseln enthält. Dort sichtete das Team um Konstantinos Migkar vom Leidener Observatorium in den Niederlanden das Filament aus rund zehn Millionen Grad Celsius heißem Gas, das vier Galaxienhaufen im Shapley-Superhaufen miteinander verbindet. An dessen beiden Enden befinden sich jeweils zwei dicht beieinanderstehende Galaxienhaufen. Das Filament erstreckt sich über 23 Millionen Lichtjahre, das entspricht etwa dem 230-fachen Durchmesser unseres Milchstraßensystems.
Mit dem Satelliten Suzaku wurde das schwache Leuchten des Filaments im Bereich der Röntgenstrahlung aufgezeichnet, während mit XMM-Newton überlagernde und somit störende Röntgenquellen (vor allem extrem massereiche Schwarze Löcher) identifiziert werden konnten. In der weiteren Auswertung wurde diese Störstrahlung aus dem Gesamtbild entfernt, so dass das Filament nun klar hervortrat. Seine Form entspricht derjenigen aus Computersimulationen großräumiger Strukturen im Universum und belegt, dass diese den tatsächlichen Zustand bereits recht gut wiedergeben.
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