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Kosmologie: Gravitationslinsen könnten Dunkle-Materie-Rätsel verschärfen

Italienische Astrophysiker haben elf Galaxienhaufen im Detail beobachtet. Die Ergebnisse stellen eine der Grundannahmen der modernen Kosmologie in Frage, meint die Gruppe.
Gravitationslinsen im Einsatz

Wenn es um die Zusammensetzung des Weltalls geht, haben Kosmologen eine recht konkrete Vorstellung: Neben vergleichsweise geringen Mengen gewöhnlicher Materie (Sterne, Gasnebel, Planeten) soll der Kosmos zu großen Teilen aus Dunkler Materie bestehen. Die rätselhafte Substanz müsste unsichtbar sein und mit dem Rest des Universums praktisch nur mittels der Schwerkraft interagieren. In Frage kämen vor allem Teilchen, die sich eher gemächlich durchs All bewegen und daher leicht zu Massezentren verklumpen.

Diese »kalte« Dunkle Materie passt gut zu vielen Beobachtungen der Kosmologie und Astrophysik. Immer wieder tauchen jedoch auch Befunde auf, die die Hypothese in Frage stellen, oder zumindest eine starke Anpassung erfordern. Ein Beispiel dafür ist eine Studie, die gerade im Fachmagazin »Science« erschienen ist. Ihr zufolge bündeln elf untersuchte Galaxienhaufen punktuell mehr Licht, als sich mit der vorherrschenden Theorie kalter Dunklen Materie ohne Weiteres erklären lässt.

Gravitationslinsen in Aktion | Der Galaxienhaufen MACSJ 1206 besteht aus etlichen einzelnen Galaxien, wie diese Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskop zeigt. Einige von ihnen verdecken noch weiter entfernte Galaxien. Licht von letzteren muss einen Bogen machen, um die Erde zu erreichen, wodurch die Hintergrundgalaxien mehrfach auf Teleskopbildern auftauchen (hier an den Rändern der drei vergrößerten Einzelgalaxien zu sehen). Verantwortlich ist der Gravitationslinseneffekt aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.

Fest machen das die Forscher um Massimo Meneghetti vom Osservatorio di Astrofisica e Scienza dello Spazio im italienischen Bologna am Gravitationslinseneffekt: Gemeint ist eine Vorhersage aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die Galaxien in eine Art Brennglas verwandelt. Wegen ihrer großen Masse machen die Materieansammlungen eine riesige Beule in die Raumzeit, die Licht von dahinter liegenden Quellen auf gekrümmte Bahnen zwingt – und bei fernen Beobachtern zuweilen den Eindruck erweckt, die Quelle gebe es in mehrfacher Ausführung.

In den elf untersuchten Galaxienhaufen sei dieser Effekt mitunter ausgeprägter, als man auf Basis kalter Dunkler Materie erwarten würde, berichtet das Team um Meneghetti. Konkret scheint sich im Einflussbereich einzelner Galaxien mehr des Dunkelstoffs zu sammeln, als Simulationen nahelegen. Die Einzelgalaxien scheinen dadurch zehnmal effizientere Linsen zu sein als erwartet, haben die Forscher berechnet.

Das lässt aus Sicht der Gruppe zwei Schlüsse zu: Entweder seien die Simulationen fehlerhaft oder aber die Dunkle Materie interagiere anders mit gewöhnlicher Materie als gemeinhin vermutet. Vielleicht gibt es noch eine dritte Möglichkeit: Beobachtungen von Gravitationslinsen in Galaxienhaufen sind oft schwierig auszuwerten und verleiten mitunter zu falschen Schlussfolgerungen – gerade wenn man es wie in diesem Fall nur mit einer eher begrenzten Datenbasis zu tun hat.

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