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News: Kranke Zukunft

An der Klimaerwärmung zweifelt kaum noch jemand. Und mit der Fieberkurve unseres Planeten geht auch das Auftreten von Krankheiten in der gesamten Lebewelt in die Höhe.
Längere Sommer, wärmere Winter, schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel, veränderte Niederschlagsmuster und eine Zunahme von Stürmen – die Palette der Folgen des sich erwärmenden Globalklimas ist vielfältig und komplex. Kein Wunder, dass Vorhersagen darüber, wie sich die Zukunft auf der Erde entwickelt, meist an Spekulation erinnern.

Die sich wandelnden Umweltbedingungen werden Ökosysteme verändern und die Verbreitung aller Lebewesen zutiefst beeinflussen. Eine ganze Reihe von Auswirkungen sind schon spürbar: Vögel brüten früher, Schmetterlinge dehnen ihren Lebensraum nach Norden aus, die Artenzusammensetzung von Pflanzengesellschaften ändern sich.

Drew Harvell von der Cornell University und seine Kollegen haben sich in einer umfassenden Literaturauswertung mit einem damit verknüpften Problem beschäftigt: der Ausbreitung von Krankheiten unter dem Einfluss der Klimaerwärmung. Und die aus weltweiten Untersuchungen zusammengetragenen Daten sprechen eine deutliche Sprache: Die Zukunft wird nicht nur wärmer, sondern auch kränker – und zwar für alle Organismen zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

So leiden einige Pflanzen – wie Eichen, Ulmen und Birken – nach milden Wintern stärker unter unter Pilzbefall und Schädlingen, die sonst durch die Kälte absterben. Eine längere Wachstumsperiode und höhere Temperaturen könnte die Zahl der Generationen bei den Erregern vergrößern, und die wärmeren Nächte, die entscheidend für den Taupunkt und damit die Luftfeuchtigkeit sind, werden in manchen Gegenden die Infektionsbedingungen für die wärme- und feuchtigkeitsliebenden Pathogene verbessern.

Ein Problem, das die Pflanzenwelt mit den Tieren teilt, ist das Vorstoßen von Krankheitserregern oder Parasiten in neue Lebensräume, die sich ihnen durch die wärmeren Bedingungen nun erschließen. Auf diese Eindringlinge sind die ursprünglichen Bewohner meist nicht vorbereitet. Und umgekehrt erwartet natürlich auch Pflanzen und Tiere in einer neuen Heimat eine Reihe von Pathogenen denen sie ungeschützt gegenüber stehen.

Eine besondere Rolle spielen hier Krankheiten, die an tierische Zwischenwirte gebunden sind – wie Malaria, Trypanosomiasis, Borreliose, Gelbfieber oder Dengue-Fieber. Deren Grenzen sind klimalimitiert – sie sind an die Lebensräume der Überträger gebunden –, doch mit den höheren Durchschnittstemperaturen konnten die Insekten und anderen Träger ihre Vorkommen ausdehnen – und damit vergrößerten sich auch die nun von den Krankheiten betroffenen Gebiete.

Und an Malaria leiden nicht nur Menschen: Auf Hawaii hat der eingeführte Plasmodium relictum, der Erreger der Vogel-Malaria, zusammen mit Vogel-Pocken (Poxvirus avium) die einheimischen Waldvögel drastisch reduziert. In den 60er Jahren kamen die Malariamücken nur unterhalb von 800 Metern vor, inzwischen treten sie bis 1400 Meter Höhe auf – und die Zahl der Vögel geht auch in diesen Regionen dementsprechend zurück.

Auch im Meer machen sich die gestiegenen Temperaturen bemerkbar. Ein Beispiel unter vielen sind Korallen, die – etwa durch den extrem ausgeprägten El Niño von 1998 – großen Hitzestress ertragen mussten. Sie sind in den Folgejahren äußerst anfällig gegen Pilzinfektionen. Die Erreger gedeihen besonders gut bei 30 bis 32 Grad Celsius – genau dem Temperaturbereich, in dem viele Korallen beginnen zu bleichen.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass Erreger oder Überträger, die auf kühlere Lebensbedingungen angewiesen sind, von der Klimaerwärmung nicht profitieren, im Gegenteil: Einige von ihnen werden zurückgehen. Doch die Mehrzahl der Pathogene scheint aus den Folgen der Fieberkurve unseres Planeten Vorteile zu ziehen. Die Studie zeigt, dass die Dimensionen dabei weit über ein paar gebleichte Korallen oder einige Malariafälle mehr hinausgehen. Richard Ostfeld vom Institute of Ecosystem Studies fasst die Stimmung des Wissenschaftlerteams zusammen mit den Worten:" Wir wollen keine Panik verbreiten, aber wir sind alarmiert."

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