KI: Kann KI wirklich kreativ sein?

Nummer 17 ist ein kurzes, eindringliches Stück für das Klavier. Es steht in d-Moll und vermittelt mit seinen ergreifenden Akkorden und sanft ansteigenden Arpeggien das Gefühl einer verlorenen Liebe, jedoch mit genügend Neuartigkeit — dissonanten Noten und einer unheimlichen Zeitverschiebung — um das Stück aus dem Klischee herauszuheben. Welche einschneidenden Lebenserfahrungen hat der Komponist also in dieses Werk einfließen lassen?
Keine, wie sich herausstellt. Denn diese Musik wurde von einem Modell der künstlichen Intelligenz produziert, das mit Tausenden von Stunden an YouTube-Videos trainiert wurde.
Jahrzehntelang haben Psychologen und Psychologinnen Kreativität als eine Schlüsseleigenschaft betrachtet, die uns von Maschinen unterscheidet, selbst wenn diese uns an Intelligenz und Können übertreffen. Doch jetzt wirft eine Welle generativer KI-Modelle, die neue Inhalte auf der Grundlage des Lernens aus riesigen Datensätzen erstellen, einen Schatten auf diese Idee.
Diese Modelle traten im November 2022 auf den Plan, als das kalifornische KI-Unternehmen »OpenAI« ChatGPT, einen äußerst beliebten KI-Chatbot, veröffentlichte. Angetrieben durch das Large Language Models (LLM) GPT-3.5 war ChatGPT in der Lage, überzeugende Texte und Bilder als Antwort auf einfache Aufforderungen zu produzieren. Schnell folgten Modelle, die noch beeindruckender waren.
Von Gedichten und Videos bis hin zu Ideen und Musik — KI-generierte Inhalte können es inzwischen mit vielen von Menschen geschaffenen Werken aufnehmen, was bedeutet, dass die üblichen wissenschaftlichen Definitionen von Kreativität nur schwer zwischen Menschen und Computern unterscheiden können. Die Fortschritte seit 2022 waren »absolut umwerfend«, sagt Simon Colton, der an der Queen Mary, University of London, Computerkreativität erforscht. »Alle meine Kollegen rennen umher, um den Anschluss zu finden, und sagen: ›Was? Was ist gerade passiert?‹«
Sollten wir also akzeptieren, dass KI jetzt kreativ ist? Oder sollten wir die Definition ändern, um die menschliche Kreativität zu schützen? Forschende auf beiden Seiten argumentieren, dass viel auf dem Spiel steht — nicht nur für das kreative Potenzial der KI, sondern auch für unser eigenes.
Maschineller Einfallsreichtum
Die Debatte darüber, ob Maschinen kreativ sein können, ist nicht neu. In den 1840er Jahren betonte Ada Lovelace, die an einem Prototyp des ersten Digitalcomputers, der Analytical Engine, mitgearbeitet hatte, dass das Modell trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten »keinerlei Anspruch darauf erhebt, irgendetwas zu erfinden« und sich auf das beschränkt, »was wir ihm zu befehlen wissen«. Mehr als ein Jahrhundert später vertraten viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen immer noch dieselbe Meinung, doch 1950 behauptete der Mathematiker Alan Turing provokativ das Gegenteil: Es gebe keine menschliche Fähigkeit, die nicht eines Tages von Computern nachgebildet werden könnte.
Etwa 50 Jahre später begannen die Maschinen, selbst die begabtesten Menschen bei bestimmten Aufgaben zu übertreffen. Im Jahr 1997 schlug der IBM-Computer Deep Blue den amtierenden Schachweltmeister. Das Programm AlphaGo von Google DeepMind vollbrachte 2015 eine ähnliche Leistung beim Spiel Go. Im Jahr 2019 stellte Google das Bach-Doodle vor, das kurze Melodien im Stil des deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach arrangieren konnte. Forschende sind sich jedoch einig, dass das, was jetzt mit generativer KI geschieht, anders ist als alles, was man bisher gesehen oder gehört hat.
Kreativität ist schwer zu charakterisieren und zu messen, aber die Forschenden haben sich auf eine Standarddefinition geeinigt: die Fähigkeit, Dinge zu produzieren, die sowohl originell als auch effektiv sind. Sie haben auch eine Reihe von Tests dafür, von der Interpretation abstrakter Zahlen bis hin zu Vorschlägen für alternative Verwendungsmöglichkeiten eines Ziegelsteins.
Ab 2023 begannen Forschende in Bereichen von der Wirtschaft bis zu den Neurowissenschaften zu berichten, dass KI-Systeme in solchen Tests mit Menschen konkurrieren können, und es fiel den Menschen oft schwer, zwischen KI-generierten und von Menschen produzierten Inhalten zu unterscheiden, egal ob es sich um ein Gedicht, eine wissenschaftliche Hypothese oder eine Smartphone-App handelte.
»Die Leute fingen an zu sagen: ›Hey, generative KI schneidet in Kreativitätstests gut ab, also ist sie kreativ‹«.Mark Runco, Kognitionspsychologe an der Southern Oregon University in Ashland und Gründungsredakteur des Creativity Research Journal
Die leistungsstärksten Menschen sind den Maschinen jedoch immer noch überlegen. In einer Studie wurden von Menschen geschriebene Kurzgeschichten mit Stücken verglichen, die von beliebten Chatbots generiert wurden. Obwohl einige der von der künstlichen Intelligenz generierten Geschichten als ebenso gut wie die Versuche menschlicher Amateurautoren und -autorinnen bewertet wurden, bewerteten Experten und Expertinnen die KI-Geschichten als wesentlich schlechter als professionelle Geschichten, die im New Yorker veröffentlicht wurden, und bemängelten, dass es ihnen an erzählerischen Enden, rhetorischer Komplexität und Charakterentwicklung mangelte. Ein anderes Experiment kam zu dem Schluss, dass LLMs, wenn es darum ging, sich neue Funktionen für Alltagsgegenstände auszudenken, nicht mit der Innovationsfähigkeit einer Gruppe fünfjähriger Kinder mithalten konnten.
Der Wissenschaftliche Funke
In der Wissenschaft haben generative KI-Tools beeindruckende Ergebnisse bei eng umrissenen Problemen erzielt, etwa bei der Vorhersage der 3D-Strukturen von Proteinen. Sie haben jedoch mit umfassenderen Herausforderungen zu kämpfen. Erstens fehlen ihnen die Erfahrung und der Kontext, um in einer realen Forschungsumgebung fruchtbare Vorschläge zu machen. Als ein Team der Stanford University in Kalifornien sowohl LLMs als auch Menschen bat, Forschungsvorschläge in der Informatik zu erstellen, wurden die KI-Vorschläge von den Gutachtenden zunächst als neuartiger und effektiver eingestuft. Nach dem Testen der Vorschläge stellten die Gutachtenden jedoch Konstruktionsmängel fest: Einige der von der KI generierten Ideen waren beispielsweise zu rechenintensiv, um sie einfach auszuführen, und andere bezogen sich nicht auf frühere Forschungsarbeiten, während die menschlichen Ideen besser umsetzbar waren.
Manche KI-Modelle haben auch Schwierigkeiten mit der Vorstellungskraft, die erforderlich ist, um wirklich neue Erkenntnisse in der Wissenschaft zu gewinnen. In einer Studie vom März 2025 baten die KI-Forscherin Amy Ding von der Emylon Business School in Lyon, Frankreich, und der Forscher Shibo Li von der Indiana University in Bloomington eine neuere Version von ChatGPT (ChatGPT-4), die Rolle von drei Genen in einem hypothetischen Regulierungssystem zu ermitteln. Die Forschenden baten den Chatbot, Hypothesen aufzustellen und Experimente zu entwerfen; diese wurden dann in einem computersimulierten Labor durchgeführt, und die Ergebnisse wurden an die KI zurückgesendet.
Im Vergleich zu menschlichen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die die gleiche Aufgabe erhielten, stellte der Chatbot weniger Hypothesen auf und führte weniger Experimente durch. Im Gegensatz zu den Menschen revidierte er seine Hypothesen nicht und führte keine neuen Experimente durch, nachdem er die Ergebnisse erhalten hatte, und es gelang ihm nicht, den richtigen Regulationsmechanismus aufzudecken. Nach nur einer Forschungsrunde kam er zu dem Schluss, dass seine ursprünglichen Ideen richtig waren, obwohl sie nicht durch die Daten gestützt wurden.
Ding und Li schlussfolgern, dass zumindest ChatGPT-4 nicht über den nötigen kreativen Funken verfügt, um anomale Ergebnisse zu bemerken und zu interpretieren oder um überraschende und wichtige Fragen zu stellen. Menschen führen oft Experimente aus Neugierde durch, so die Forscher, und versuchen dann, ihre Ergebnisse mit neuen Ideen zu erklären. Aber ChatGPT-4 war »stur« — unfähig, sein Denken angesichts neuer Beweise anzupassen.
Die Forscher vermuten, dass die Neugier und die Vorstellungskraft, die für wirklich bahnbrechende Entdeckungen erforderlich sind, über die tiefen neuronalen Netze — hierarchische Schichten von miteinander verbundenen Knoten — hinausgehen könnten, die der generativen KI zugrunde liegen. Diese sind zwar hervorragend in der Lage, statistische Muster zu erkennen, haben aber Schwierigkeiten mit flexiblem, unkonventionellem Denken.
Alternative KI-Architekturen könnten das Kreativitätspotenzial erhöhen, obwohl sich die Forschung noch in einem frühen Stadium befindet. Ding und Li heben die »neuromorphe« KI hervor, die den dynamischen, selbstorganisierenden Prozessen des Gehirns nachempfunden ist. Colton hingegen ist begeistert von der neurosymbolischen KI. Bei diesem Ansatz werden tiefe neuronale Netze, die Muster aus Daten gewinnen, mit symbolischen Regeln und Schlussfolgerungen kombiniert, wobei der symbolische Teil näher am expliziten, abstrakten Denken liegt. Diese Ergänzung könnte KI-Systemen mehr Flexibilität verleihen, um über ihr Training hinauszugehen, meint er. »Man kann sagen: ›Du hast diese Regel in den Daten gesehen, aber was wäre, wenn sie nicht stimmt?‹«
Der Weg ist das Ziel
Doch wie beeindruckend die Modelle auch sein mögen, sollte man sie jemals als kreativ bezeichnen? Einige Forschende sind der Meinung, dass die Gesellschaft, bevor sie der KI Kreativität zuschreibt, genauer darüber nachdenken muss, was diese Eigenschaft eigentlich ist. James Kaufman, Bildungspsychologe an der University of Connecticut in Storrs und Autor mehrerer Bücher über Kreativität, vertritt die Ansicht, dass wir den Schaffensprozess verstehen müssen, anstatt nur das Endergebnis zu betrachten.
»KI kann ein kreatives Produkt erzeugen, sicher. Aber sie durchläuft keinen kreativen Prozess. Ich glaube nicht, dass sie ein kreatives Wesen ist.«James Kaufman, Bildungspsychologe an der University of Connecticut
Auch Runco ist der Meinung, dass die Idee der kreativen KI wichtige Eigenschaften ignoriert, die Menschen bei ihrer kreativen Arbeit nutzen. Er argumentiert, dass neuronale Netze zwar Algorithmen folgen, Menschen aber subjektive Emotionen, Ästhetik, persönliche Werte und gelebte Erfahrung nutzen, um kreative Entscheidungen und Gedankensprünge zu treffen, die vielleicht nicht logisch oder rational erscheinen, aber die einzigartige Perspektive oder das Selbst einer Person zum Ausdruck bringen.
Um diese menschlichen Aspekte zu erfassen, schlägt Runco vor, die Standarddefinition von Kreativität dahingehend zu ändern, dass sie auch »Authentizität«, d. h. die Treue zu sich selbst, sowie »Intentionalität« umfasst — eine intrinsische Motivation oder einen Antrieb, der sowohl die Neugierde, einen kreativen Prozess zu beginnen, als auch das Urteilsvermögen, zu wissen, wann man aufhören muss, einschließt.
Einige Arten von KI-Modellen können ihren Output selbst bewerten und sich verbessern, sagt Caterina Moruzzi, Philosophin, die am Edinburgh College of Art (UK) Kreativität und KI studiert, aber sie können sich immer noch nur auf ein Ziel zubewegen, das von einem menschlichen Benutzer vorgegeben wird. »Was sie noch nicht können, und die Frage ist, ob sie jemals dazu in der Lage sein werden, ist, sich selbst Ziele zu setzen.«
Für Jon McCormack, der an der Monash University im australischen Melbourne Computerkreativität erforscht, sind selbst hochwertige KI-Kreationen »parasitär« von der menschlichen Kreativität abhängig, die in ihr Trainingsmaterial eingeflossen ist. »Sie sind nicht in der Lage, Kunstbewegungen zu entwickeln oder selbständig ein Künstler zu sein.«
Die Debatte erinnert an die Frage, mit der Turing gerungen hat: Kann jeder Aspekt unseres Handelns, sogar die Kreativität, genauso gut von einer Maschine ausgedrückt werden, oder sind wir etwas anderes? Wie Turing sieht auch Colton keinen prinzipiellen Grund, warum künstliche Systeme keine Kreativität erreichen können. Das Fehlen von Autonomie und intrinsischer Motivation sei keine inhärente Einschränkung der KI, sondern lediglich ein Artefakt der Art und Weise, wie die Modelle entwickelt wurden. »Ich glaube, dass wir die Fesseln leicht abnehmen könnten«. Er wünscht sich, dass KI-Agenten so entwickelt werden, dass sie kreativ unabhängiger sind und nicht nur den ihnen gestellten Aufgaben folgen, »so wie man auch von jemandem, den man für ein kreatives Team einstellt, erwartet, dass er eigene Ideen hat«.
Er räumt ein, dass dieser Ansatz schwer zu finanzieren ist, zum Teil wegen der Bedenken, dass selbstgesteuerte KI-Modelle unkontrolliert arbeiten könnten. Aber er demonstriert die Autonomie von KI-Tools auf kleine Weise. In einem Projekt mit dem Deep-Learning-Forscher Louis Bradshaw, ebenfalls an der Queen Mary, University of London, hat er ein KI-Modell namens Aria so programmiert, dass es seine eigenen Klavierstücke komponiert und bewertet (u. a. Pianita Nummer 17). Aria kann verschiedene Möglichkeiten ausprobieren, z. B. die Tonhöhe einer Note verändern, und gibt Kommentare dazu ab, warum es bestimmte musikalische Entscheidungen getroffen hat. »Für mich ist die von diesem System erzeugte Musik so gut und so schön, dass es wirklich schade ist, dass sie nicht von einem Menschen geschrieben wurde«, sagt Colton. Er hofft, dass die künstliche Intelligenz eines Tages dazu beitragen wird, die menschliche Kultur voranzubringen und uns neue kreative Möglichkeiten aufzuzeigen.
Für Runco wäre es jedoch eine kulturelle Katastrophe, ein KI-System als kreativ zu akzeptieren. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass Kreativität nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes wichtig ist, sondern auch für das individuelle Wohlbefinden, stellt er fest. Wer sich die Zeit nimmt, regelmäßig kreativ zu sein — zum Beispiel durch tägliche Tagebücher oder Zeichnungen — verbessert die Stimmung, die Stressregulierung und die Widerstandsfähigkeit sowie die kognitive Flexibilität, das Gedächtnis, die sozialen Fähigkeiten und sogar die körperliche Gesundheit, sagt er.
Die Einstufung des Outputs von Maschinen als kreativ untergräbt all dies, argumentiert er, mit besonders besorgniserregenden Folgen für die Bildung. Anstatt Qualitäten wie Flexibilität und inneren Antrieb zu fördern, könnten Lehrer (und die Gesellschaft im Allgemeinen) zunehmend die Endprodukte bewerten, ohne die Fähigkeiten zu fördern, die den Menschen helfen, sie zu produzieren. »Wenn wir in diese oberflächliche Definition von Kreativität investieren, die nur den Output anerkennt«, sagt er, »haben die menschlichen Potenziale keine Chance«.
Kultur von Mensch und Maschine
Andere Forschende gehen der Frage aus dem Weg, ob ein KI-System an sich kreativ sein kann, und betrachten stattdessen die Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen. »Kreativität ist ein Dialog«, sagt Maria Teresa Llano, Informatikerin an der University of Sussex in Brighton, Großbritannien. »Ich glaube, dass es jetzt ein anderes Medium gibt, um kreativ zu sein.« Sie ist Teil eines wachsenden Forschungsgebiets, das sich »Co-Creativity« nennt und erforscht, wie KI neue Formen der Kreativität inspirieren kann, anstatt nur auf Aufforderungen zu reagieren.
Einige Künstler nutzen das Medium, um unser Verhältnis zur KI zu hinterfragen. Ein Beispiel ist die »Glitch Art«, bei der neuronale Netze gehackt werden, um ihre Ergebnisse zu verändern. McCormacks Gruppe hat unterdessen ein Gerät entwickelt, das als mimetischer Dichter bezeichnet wird. Das Gerät, das zu einer nachdenklicheren Interaktion mit der KI anregen soll, verfügt über eine Oberfläche, auf der die Benutzer magnetische Wortkacheln anordnen; das KI-System schreibt dann ein Gedicht als Antwort.
Außerhalb der Kunstwelt werden Inhalte, die von Menschen in Zusammenarbeit mit KI produziert werden, oft besser bewertet als die Ergebnisse von Einzelkämpfern. In einer Studie aus dem Jahr 2023 konnten die Teilnehmenden nicht unterscheiden, ob ein Haiku-Gedicht von einem Menschen oder einer KI verfasst worden war, aber sie bewerteten Gedichte, die von Menschen und KI gemeinsam erstellt worden waren, als die schönsten.
Ein übermäßiger Einsatz von KI könnte jedoch Arbeitsplätze in der Kreativbranche bedrohen und ganz allgemein zu einem Rückgang der kreativen Fähigkeiten führen. In einer Anfang 2025 veröffentlichten Studie gab ein Team des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge einer Gruppe von Menschen drei Sitzungen, in denen sie einen Aufsatz mit Hilfe von KI schreiben sollten, und eine weitere, in der sie versuchten, ohne KI zu schreiben. Im Vergleich zu den Teilnehmern, die sich von Anfang an nur auf ihr eigenes Wissen verlassen mussten, war die KI-Gruppe während des Schreibens kognitiv weniger engagiert (schwächere Gehirnkonnektivität, wie Messungen der elektrischen Gehirnaktivität zeigen). Sie schrieben auch weniger unterschiedliche Aufsätze und waren weniger in der Lage, aus ihnen zu zitieren.
Diese Ergebnisse sprechen für eine weitere Befürchtung: dass die Kultur weniger vielfältig werden könnte. In einer anderen Studie zum kreativen Schreiben aus dem vergangenen Jahr ähnelten sich KI-unterstützte Geschichten stärker als solche, die von Menschen allein verfasst wurden. Die Ergebnisse der KI können beeindruckend sein, sagt Llano, »aber wenn man genauer hinsieht, ist ein Großteil der Ästhetik, die erzeugt wird, immer gleich«. Sie befürchtet, dass wir uns mit der Überflutung der Menschheit mit KI-Inhalten auf eine »sehr flache Welt« zubewegen könnten.
Die Forschende sind uneinig darüber, ob KI-Tools die Chancen erweitern oder die bestehende Ungleichheit verschärfen könnten. Colton glaubt, dass sie mehr Menschen die Möglichkeit geben könnten, kreativ zu sein: Jemand, der nicht die Mittel hat, Klavier zu lernen, könnte Musik komponieren, sagt er. »Das ist für mich der größte Vorteil von KI-Systemen, diese Demokratisierung der Kreativität.« Andere befürchten, dass der Zugang zu KI-Tools alles andere als demokratisch ist. »Einige Leute bekommen eine viel bessere KI als andere«, sagt Kaufman.
Für Moruzzi besteht die Antwort darin, sorgfältig darüber nachzudenken, welche Art von Hilfe wir von Maschinen wünschen. Angesichts des Tempos des Wandels und der Dominanz der Technologieunternehmen hat eine sorgfältige Überlegung jedoch möglicherweise nicht viel Einfluss. »Wir haben keine Zeit, einen Schritt zurückzutreten und zu sagen: ›Wozu ist das gut?‹«, sagt McCormack. »Die Automatisierung der Kultur führt nicht unbedingt dazu, dass die Menschen ein bereichertes Leben haben.«
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