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Metamaterial: Krebs panzert sich mit Tarnkappe

Fangschreckenkrebse zertrümmern harte Schalen – doch ihre eigene Hülle bleibt dabei heil. Das verdanken sie einem Metamaterial, das zerstörerische Stoßwellen gezielt blockiert.
Ein bunter Fangschreckenkrebs sitzt auf einem Stück Korallenriff vor einem schwarzen Hintergrund. Der Krebs hat leuchtende Farben, darunter Braun, Grün und Weiß, und seine großen, komplexen Augen sind deutlich sichtbar. Die Struktur des Riffs zeigt viele kleine Löcher und eine raue Textur.
Schlägertyp: Der Fangschreckenkrebs tötet seine Beute durch harte Schläge mit seiner gut erkennbaren Keule und hochfrequenten Stoßwellen.

Mit einer Art Tarnkappe für Schallwellen verhindern Fangschreckenkrebse, dass sie sich mit ihren eigenen Stoßwellen selbst zertrümmern. Diese Krebse schlagen so schnell und fest zu wie kaum ein anderes Lebewesen und erlegen auf diese Weise ihre Beute. Dabei erzeugen sie hochfrequente zerstörerische Stoßwellen. Ihr Panzer jedoch enthält eine Struktur, die genau diese Schallwellen nicht passieren lässt. Das berichtet ein Team um den Materialwissenschaftler Nicolas Alderete von der Northwestern University in Evanston in den USA. Bei ihrer Studie nutzte die Arbeitsgruppe Lasertechniken und Simulationen und zeigte so, dass die innere Schicht des Panzers künstlichen Metamaterialien ähnelt.

Der etwa handgroße Fangschreckenkrebs Odontodactylus scyllarus besitzt statt Scheren zwei Keulen als Teil eines hochspezialisierten Angriffssystems. Mit ihnen schlägt er extrem schnell zu und landet dabei einen doppelten Treffer: Der Hammer prallt binnen 50 Mikrosekunden auf sein Ziel; dabei wirken Kräfte von mehr als dem 1000-Fachen des Körpergewichts. Außerdem erzeugt er an der Kontaktstelle winzige Blasen, die sofort wieder kollabieren. Diese Kavitation ruft nanosekundenkurze Stoßwellen im Ultraschallbereich hervor. Sie gefährden eigentlich ebenso die Schale und das empfindliche Gewebe des Fangschreckenkrebses. Doch die innere Schicht der Krebsschale stoppt genau diese Frequenzen.

Der Panzer der Krebskeule besteht aus drei Schichten. An der Oberfläche befindet sich eine dünne Lage des Minerals Hydroxylapatit, aus dem auch Zähne aufgebaut sind. Darunter liegen Chitinfasern in einem Fischgrätenmuster angeordnet, um Risse zu stoppen. Die innere Schicht besteht ebenfalls aus Chitinfasern, allerdings in einem so genannten Bouligand-Muster – spiralförmigen Türmchen aus Schichten von Faserbündeln, in denen jede gegenüber der nächsten verdreht ist. Schon lange vermuten Fachleute, dass diese seltsame Anordnung phononische Eigenschaften hat: Bestimmte Frequenzen können sich nicht in ihr fortpflanzen.

Das Team um Alderete zeigte, dass die periodische Anordnung aus verdrehten Türmchen tatsächlich als Filter für zerstörerische Stoßwellen wirkt. Mit Hilfe eines Laserverfahrens maß es die akustischen Eigenschaften dieser Schicht und simulierte darin das Verhalten von Ultraschall mit Frequenzen bis zu einem Gigahertz. Scherwellen hoher Frequenzen, die durch kollabierende Bläschen entstehen, konnten sich in dem Material nicht fortpflanzen. Man bezeichnet diese Eigenschaft, bestimmte Schwingungen nicht zu transportieren, als phononische Bandlücke. Diese wirkt den Fachleuten zufolge quasi als Tarnkappe für die zerstörerischen Stoßwellen und schützt den Krebs vor den Folgen seiner eigenen Schläge.

  • Quellen
Science 10.1126/science.adq7100, 2025

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