Krebs: Pessimistische Hunde können Krebs besser riechen

Billy, ein kleiner Beagle mit Schlappohren, hüpft auf einer Plattform herum und schnüffelt an einer Reihe von Löchern. In jedem Loch befindet sich eine gebrauchte medizinische Maske, die die individuelle Duftmischung je eines Menschen enthält. Aber Billys scharfe Nase ist nur auf der Suche nach einer bestimmten Geruchskombination: derjenigen, die Krebs signalisiert.
Krebs kann das »Volatilom« eines Menschen verändern, die einzigartige Gruppe flüchtiger organischer Verbindungen, die in Atem, Schweiß, Blut und Urin vorkommen. Billy und ihre Kollegen haben gelernt, diese subtilen Duftstoffe in Masken zu erschnüffeln, die von Menschen mit Krebsdiagnosen getragen wurden. Forschende untersuchen außerdem, wie Hunde Krankheiten wie COVID und Malaria sowie psychologische Zustände, einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen, erkennen können.
Man entdeckte die Fähigkeit von Hunden, Krankheiten zu riechen, im Jahr 1989, als ein Hund bei seinem Herrchen Krebs entdeckte. Dennoch werden Hunde immer noch nicht routinemäßig zur Diagnose eingesetzt; denn abgesehen von den offensichtlichen logistischen Herausforderungen unterscheiden sich Hunde erheblich in ihrer Geruchsgenauigkeit. Forschende beobachten zunehmend, dass die Fähigkeit, Krankheiten zu erschnüffeln, von der Persönlichkeit des einzelnen Hundes abhängt - und davon, wie gut ihn sein Besitzer kennt. Neue Forschungsarbeiten möchten herausfinden, welche Hunde am besten für diagnostische Aufgaben geeignet sind und wie das Verhalten der Hunde während eines Geruchstests zu interpretieren ist.
Sharyn Bistre Dabbah, Veterinärwissenschaftlerin an der Universität Bristol in England, hat zusammen mit der britischen Wohltätigkeitsorganisation Medical Detection Dogs untersucht, wie sich die Persönlichkeit der Tiere - insbesondere ihr Optimismus oder Pessimismus - auf ihre Fähigkeit zur Erkennung von Krankheiten auswirkt. Ihre Ergebnisse erschienen kürzlich in PLoS One.
Die Forschenden zeigten den Hunden zunächst, was sich hinter zwei Bildschirmen am Ende eines Raums befand: ein »positiv« konnotierter Ort mit einem Leckerli und ein »negativer« mit einem leeren Napf. Bei den folgenden Versuchsdurchgängen sprangen die Hunde in der Regel fröhlich auf den ersten Raum zu, trotteten aber nur sehr langsam, wenn sie den zweiten aufsuchen wollten - oder sie gingen einfach gar nicht dorthin.
Dann platzierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Näpfe hinter zwei neuen Bildschirmen zwischen dem positiven und dem negativen Raum. Je nachdem, wie schnell die Hunde zu den neuen Orten gingen, wurden sie als »optimistisch« oder »pessimistisch« klassifiziert.
Als Nächstes bewertete das Team, wie genau jeder Hund den bestimmten Krankheitsgeruch, auf den er trainiert worden war, unter anderen Gerüchen identifizieren konnte. Im Durchschnitt erwiesen sich die pessimistischen Hunde als kritischer. Pessimistische Hunde sind vorsichtiger in ihrem Urteil und »ein vorsichtigerer Hund macht vielleicht eher keine Fehler«, sagt Dabbah.
Auch andere Persönlichkeitsmerkmale spielen eine Rolle, sagt Clara Wilson, die an der Universität von Pennsylvania zu Krankheits- und Stressspürhunden forscht. Hunde, die den Nervenkitzel einer Jagd genießen und bei der Suche nach vermissten Personen oder versteckten Bomben vollen Einsatz zeigen, empfinden das Erschnüffeln von Krankheitsproben vielleicht als ziemlich repetitiv. »Wir wollen nicht, dass die Aufgabe den Hund frustriert. Er soll sie eher als belohnend empfinden, auch wenn sie weniger aufregend ist«, erklärt Wilson.
Auch die Interpretation des Hundeverhaltens durch Herrchen oder Frauchen könne das Ergebnis der Erkennung verfälschen, sagt Akash Kulgod, Mitbegründer von Dognosis, dem in Bengaluru ansässigen Start-up-Unternehmen, das Billy ausgebildet hat. Anstatt den Hunden ein bestimmtes Verhalten beizubringen, wie sich zu setzen oder zu bellen, wenn sie einen bestimmten Geruch wahrnehmen - ein Prozess, der zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt und Hunde dazu veranlassen kann, für Leckerlis zu »lügen« -, analysieren Kulgod und sein Team direkt die natürliche Körpersprache der Hunde. Ein Computer-Vision-basiertes Machine-Learning-Tool analysiert, wie selbstbewusst die Hunde basierend auf ihren Bewegungen sind. Das gibt dem Team Hinweise darauf, ob die Diagnose wirklich erfolgreich war. »Einer unserer Hunde schnüffelt und macht dann selbstbewusst einen Purzelbaum, um zur Futterstelle zu gehen«, sagt Kulgod. »Jeder von ihnen hat seine ganz eigenen Macken - aber all das lässt sich quantifizieren, weil es mit der Belohnungserwartung zusammenhängt, die die Hunde aus den vergangenen Sitzungen haben.«
Auf der diesjährigen Konferenz der American Society of Clinical Oncology wurde eine Pilotstudie mit 200 Testproben von insgesamt zehn Krebsarten vorgestellt, in der die Dognosis-Hunde 96 Prozent der Krebsarten erkannten. Als Nächstes wird das Dognosis-Team seine Studie auf 1500 Testproben ausweiten.
Derzeit werden viele Krebsarten mit einer Kombination aus Bluttests und Biopsien diagnostiziert. Forschende sind immer auf der Suche nach weniger invasiven Methoden - einschließlich Möglichkeiten, die unsere vierbeinigen Begleiter direkt miteinbeziehen, oder von ihnen inspirierte elektronische Nasen. Derzeit sind die Hunde den elektronischen Schnüfflern überlegen. Doch diese Vorrangstellung werde möglicherweise nicht von Dauer sein, meint Andreas Mershin, Chief Science Officer bei dem in Boston ansässigen Start-up RealNose.ai. Er und seine Kollegen entwickeln elektronische Nasen, um Urinproben auf Prostatakrebs und andere Krankheiten hin zu untersuchen. Wenn der maschinelle Geruchssinn irgendwann die Fähigkeiten von Hunden übertrifft, könnte er dazu beitragen, aktuelle Probleme zu beheben - und zusätzlich den Tieren eine Pause verschaffen.
Mershins Team hat die Geruchsrezeptoren von Säugetieren auf einem elektronischen Chip untergebracht und maschinelles Lernens eingesetzt, um die Messergebnisse zu interpretieren. Die Technik konzentriert sich auf breitere Muster in den erkannten Molekülen, anstatt sie einzeln zu kategorisieren.
Auch Hunde haken keine Liste von Molekülen in ihrem Kopf ab; sie »wissen« einfach, wie Krebs riecht. So können sie ihn genau erkennen, unabhängig davon, von welchem Organ er stammt oder was der Patient vor der Abgabe seiner Atemprobe gegessen hat. »Die Hunde können verallgemeinern. Es ist ihnen gewissermaßen egal, in welcher Schriftart man den Geruch schreibt; sie interpretieren ihn einfach richtig«, sagt Mershin.
In einer in PLoS One veröffentlichten Studie setzten Mershin und sein Team maschinelles Lernen ein, um in Urinproben von Patienten mit nachgewiesenem Prostatakrebs Muster verschiedener Geruchsstoffe zu erkennen und zu analysieren. Ihre Ergebnisse, die auf Diagnosedaten von Medical Detection Dogs aufbauen, legen nahe, dass die Analyse von einem solchen »Geruchscharakter« eine Alternative zu Hunden darstellen könnte, auch wenn sie derzeit viel langsamer ist.
Die schlappohrige Billy erkennt im Test schnell den subtilen Krebsgeruch in einer der Masken, an denen sie geschnüffelt hat, und springt selbstbewusst zurück, um sich ihre Belohnung zu holen. Solche Untersuchungen mit Hunden haben großes Potenzial, sagt die Postdoktorandin Amritha Mallikarjun von der University of Pennsylvania: »Die Hunde zeigen uns mit ihrem erstaunlichen Geruchssinn und ihrer Fähigkeit zur Identifikation, wie Technologien in 10 bis 15 Jahren aussehen könnten.«
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