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Krebsmedizin: mRNA-Impfstoffe machen Krebstherapie wirksamer

Wenn Krebspatienten zusätzlich zu einer Immuntherapie noch eine mRNA-Covid-19-Impfung erhalten, kann das ihr Sterberisiko deutlich senken, wie Studiendaten aus den USA zeigen.
Eine Person in medizinischer Schutzkleidung, einschließlich Maske und Handschuhen, hält ein Fläschchen mit der Aufschrift „COVID-19 Vaccine mRNA“ in die Kamera. Der Hintergrund ist unscharf, der Fokus liegt auf dem Impfstofffläschchen.
Eine Krebsimmuntherapie beruht darauf, die körpereigene Immunabwehr der erkrankten Person gegen ihren Tumor aufzustacheln. Das Immunsystem bekämpft den Tumor dann stärker. mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 können diese körpereigene Abwehrreaktion anscheinend intensivieren.

mRNA-Impfstoffe können Immuntherapien gegen Krebs deutlich wirksamer machen. Zu diesem Schluss kommt ein Team um Steven Lin von der Krebsklinik University of Texas MD Anderson Cancer Center, abgekürzt MD Anderson. Laut den Beobachtungen der Forschungsgruppe waren krebskranke Personen, die innerhalb von 100 Tagen nach dem Beginn einer Immuntherapie eine mRNA-Covid-19-Impfung erhielten, drei Jahre später mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit noch am Leben wie Ungeimpfte. Eine weitere Studie soll nun testen, ob mRNA-Impfstoffe standardmäßig in bestimmte Krebsimmuntherapien mit aufgenommen werden sollten. Falls sich die bisherigen Ergebnisse bestätigen, könnten erheblich mehr Patientinnen und Patienten von einer Krebsimmuntherapie profitieren als zuvor.

Lin und sein Team haben die Daten von mehr als 1000 Menschen ausgewertet, die an Lungen- oder Hautkrebs erkrankt waren und zwischen 2019 und 2023 mit sogenannten Immuncheckpoint-Inhibitoren behandelt wurden. Das sind Arzneistoffe, die Krebszellen daran hindern, sich der Körperabwehr zu entziehen. Immuncheckpoint-Inhibitoren spielen in der Krebsmedizin mittlerweile eine große Rolle; sie haben in sehr vielen Fällen geholfen, Tumorerkrankungen in Schach zu halten. Allerdings wirken sie nicht bei allen Menschen gleich gut: Manche Patienten profitieren davon mehr als andere.

Die Fachleute um Lin führten eine großangelegte Studie durch. Darin untersuchten sie rückblickend, ob MD-Anderson-Patienten, die eine mRNA-Covid-19-Impfung erhalten hatten, ihre Krebsdiagnose länger überlebten als Nichtgeimpfte. Das war tatsächlich der Fall: Die Wahrscheinlichkeit, drei Jahre nach Behandlungsbeginn noch zu leben, lag bei den Geimpften doppelt so hoch wie bei den Ungeimpften.

Weiterführende Untersuchungen an Gesunden und Erkrankten zeigten, dass mRNA-Impfstoffe die körpereigene Immunabwehr in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen, woraufhin sie verstärkt gegen Krebszellen vorgeht. Als Reaktion darauf stellen die Krebszellen vermehrt das Immuncheckpoint-Protein PD-L1 her, das die Immunabwehr bremst. Doch genau dieses Protein wird von den verabreichten Immuncheckpoint-Inhibitoren blockiert, was den Krebszellen die Möglichkeit nimmt, sich vor dem Immunsystem zu schützen.

»Diese Studie zeigt, dass handelsübliche mRNA-Covid-Impfstoffe zusammen mit Immuncheckpoint-Inhibitoren eine starke Immunreaktion gegen den Tumor hervorrufen, die mit einer massiv verbesserten Überlebensrate der Krebspatienten einhergeht«, sagte der Onkologe Adam Grippin vom MD Anderson, der an der Studie mitwirkte. Ermutigend sei, schreibt das Team, dass die Kombinationsbehandlung besonders gut gegen Tumoren zu wirken scheine, die sonst eher schlecht auf eine Immuntherapie ansprechen. Bei Personen mit solchen immunologisch »kalten« Tumoren habe sich die Dreijahres-Überlebenszeit durch die Kombinationsbehandlung sogar fast verfünffacht.

»Die Studie deutet auf eine praktische, kostengünstige Möglichkeit hin, Krebsimmuntherapien mithilfe allgemein verfügbarer, preisgünstiger mRNA-Impfstoffe wirksamer zu machen«, sagte der Molekularbiologe Seth Cheetham von der University of Queensland gegenüber dem australischen Science Media Center; er war an der Studie nicht beteiligt. Es sei jedoch eine retrospektive Untersuchung gewesen, die keine Kausalzusammenhänge belegen könne. Dies könne nur eine randomisierte kontrollierte Studie nach dem Goldstandard leisten. Sollten sich die Ergebnisse dabei bestätigen, könnten Ärzte bald über eine unerwartete, effektive neue Option der Krebsbehandlung verfügen, so Cheetham.

Eine solche randomisierte klinische Studie der Phase III, die an mehreren Behandlungszentren laufen soll, ist derzeit in Planung.

  • Quellen
Lin, S. et al., Nature 10.1038/s41586–025–09655-y, 2025

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