Krebsmedizin: Warum Immuntherapien zu Gehirnnebel führen können

Car-T-Zelltherapien gegen Krebs verursachen mitunter neurologische Nebenwirkungen wie so genannten Gehirnnebel (»Brain Fog«). Der Mechanismus dahinter ist offenbar der gleiche, der auch bei Atemwegsinfektionen oder unter Einwirkung einer Chemotherapie zu Gehirnnebel führen kann. Das berichtet eine Forschungsgruppe um Michelle Monje von der Stanford University.
Die Car-T-Zelltherapie beruht darauf, erkrankten Personen bestimmte Immunzellen namens T-Lymphozyten zu entnehmen. Die Zellen werden im Labor mit künstlichen Rezeptormolekülen ausgestattet, wodurch sie die Fähigkeit erlangen, Tumorzellen verstärkt zu attackieren. Die scharfgeschalteten Immunzellen gibt man in den Körper der Erkrankten zurück, wo sie gegen die entarteten Zellen vorgehen. Gegen Blutkrebs hat sich dieser Ansatz vielfach bewährt; Fachleute behandeln damit aber zunehmend auch solide Tumoren (Gewebeneubildungen in Organen) sowie Autoimmunkrankheiten.
Viele Patientinnen und Patienten, die eine Car-T-Zelltherapie erhalten, berichten über Gehirnnebel. Typisch dafür sind verlangsamte Informationsverarbeitung, Wortfindungs- und Sprachstörungen, verminderte Konzentrationsfähigkeit sowie Gedächtnisstörungen. Um herauszufinden, wie es dazu kommt, setzten Monje und ihr Team die Car-T-Zelltherapie bei tumorkranken Labormäusen ein. Anschließend unterzogen sie die Tiere kognitiven Tests und beobachteten unter anderem, wie die Nager auf neue Objekte reagierten oder wie sie sich in Labyrinthen zurechtfanden.
Entzündliche Prozesse verursachen Gehirnnebel
In zahlreichen Fällen führte die Immuntherapie bei den Tieren zu leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Wie die Experimente zeigten, spielen dabei offenbar die Immunzellen des Gehirns, die so genannten Mikrogliazellen, eine Schlüsselrolle. Sie werden durch die Car-T-Zelltherapie aktiviert und produzieren daraufhin entzündungsfördernde Proteine wie Zytokine und Chemokine. Das treibt Entzündungsprozesse an und beeinträchtigt die Funktion der Oligodendrozyten – spezialisierter Gehirnzellen, die isolierende Umhüllungen von Nervenfasern produzieren, wodurch die Nerven ihre Signale effizient übertragen können. Sind die Oligodendrozyten gestört, isolieren sie die Nervenzellen im Gehirn nicht mehr so gut, was die Hirnfunktion beeinträchtigt. Derselbe Mechanismus führt laut dem Team auch bei Chemotherapie, Bestrahlung sowie bestimmten Atemwegsinfektionen zu Gehirnnebel.
Mittels Untersuchung menschlicher Hirngewebeproben, die von verstorbenen Patienten gewonnen worden waren, zeigte die Forschungsgruppe, dass beim Menschen die gleichen Mechanismen wirken wie bei den Labormäusen. Mit Arzneistoffen, die Zytokinen entgegenwirken oder die Aktivität der Mikroglia drosseln, ließe sich der Gehirnnebel möglicherweise bekämpfen, schreiben die Fachleute um Monje. Sie untersuchen nun, ob das beim Menschen umsetzbar ist.
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