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Krebsforschung: Krebsversteck vor Fresszellen aufgedeckt

Krebsforscher fanden zuletzt immer mehr Wege, die Waffen des Immunsystems auf die Tumoren im Körper des Patienten zu richten. Sorgen machen dabei die möglichen Nebenwirkungen: Eine allzu angriffslustige Körperabwehr kann mehr zerstören als nur Krebsgewebe.
Makrophagen blockieren Chemotherapie

Krebs ist besonders schwer zu heilen, weil viele Tumoren die körpereigenen Abwehrmechanismen außer Kraft setzen. Seit Langem denken Krebsmediziner daher über Wege nach, ein vom Krebs ausgetrickstes Immunsystem wieder scharf zu schalten, um so eine Waffe gegen die Krankheit zu schmieden. Auf diesem Weg machen sie zuletzt deutliche Fortschritte – vor allem, weil die Wissenschaftler viel darüber gelernt haben, wie der Krebs eigentlich die verschiedenen Arme des Sicherheitsdienstes in Körper und Zelle umgeht. Ein aktuelles Beispiel beschreiben Mediziner um Roy L. Maute von der Stanford University in "Nature Immunology": Sie zeigen, wie es Krebszellen gelingt, den Attacken von im Körper patrouillierenden Fresszellen zu entgehen – und wie man ihnen dies vielleicht einmal unmöglich machen könnte.

Eine Sektion der Fresszellen im Körper sind die Makrophagen: Sie fressen Bakterien und Viren und alte oder defekte körpereigenen Zellen. Tatsächlich könnten sie auch Krebszellen eliminieren, oft aber schützen sich die Krebszellen durch ein auf ihrer Oberfläche hängendes Antimakrophagensignal, das Oberflächenprotein CD47. CD47 bindet auf den Makrophagen an den passenden CD47-Rezeptor SIRPalpha und signalisiert diesen, dass sie die Zelle in Ruhe lassen müssen. Zwar kann das Signal ausgeschaltet werden, dies hat aber seine Tücken – die Makrophagenpatrouille könnte alle, auch gesunde Zellen attackieren. Mautes Team fand nun aber einen zweiten, zusätzlichen Mechanismus, der bei der Freund-Feind-Erkennung der Makrophagen eine bislang unterschätzte Rolle spielt. Nur wenn beide Signale zugleich blockiert werden, attackieren die Makrophagen Tumorgewebe effektiv, zeigen die Forscher in Experimenten an Mäusen.

Das zweite Erkennungssignal der Krebszellen ist dabei für Immunologen eigentlich ein alter Bekannter: Es handelt sich um eine Sektion des zelleigenen MHC-I-Komplex, einem für jedes Individuum charakteristischen Proteinkonglomerat auf der Zelloberfläche aller Zellen. Man wusste seit Längerem, dass spezifisch agierende Immunzellen wie etwa die "natürlichen Killerzellen" nach dem MHC-Komplex schauen, um fremde Eindringlinge von eigenen Zellen zu unterscheiden. An Makrophagenfresszellen hatte man Rezeptoren für MHC-Signale bisher nicht entdeckt. Mautes Team fand nun aber, dass auf Makrophagen im Körper von krebskranken Mäusen das Oberflächenprotein LILRB1 häufiger vorkommt, welches an einen Teil des MHC-I-Komplexes der Tumoren bindet und dann den Fressvorgang stoppt. Als die Forscher den Rezeptor – und das schon bekannte Signal CD47 – blockierten, gingen deutlich mehr Fresszellen gegen Tumore der Mäuse vor.

Die Regulation des Immunsystems stellt sich damit erneut komplizierter dar als bisher gehofft: Sogar die vermeintlich eher unspezifische erste Verteidigungslinie der Körperabwehr, zu denen die Makrophagen zählen, reagiert auf recht komplexe Signale. Dies muss bei den Manipulationsversuchen bedacht werden; die Tumormedizin am Immunsystem plant, um es gegen entartetes Gewebe aufzurüsten. Umstritten ist zudem, welche Rolle Makrophagen im Krebsgeschehen überhaupt spielen. Andere Forscher vermuten etwa, dass die Tumoren von aktiven Fresszellen sogar profitieren. Stets lauert bei manipulativen Eingriffen in die Körperabwehr auch die Gefahr, dass ein allzu effektiv hochgezüchtetes Immunsystem, bei dem verschiedene vom Tumor manipulierte Sicherheitssysteme ausgeschaltet wurden, dann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben und sich zum Beispiel gegen gesundes Gewebe richten. Bislang haben Tumorforscher dieses Problem nicht vollständig im Griff: So zeigen sich etwa bei Hoffnung weckenden Ansätzen wie den patientenspezifischen aggressiven CAR-T-Zellen in den ersten Versuchen an Kranken noch zu oft Nebenwirkungen, die man nicht vorausgesehen hatte.

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