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News: Kristalle werden als flache Scheibe geboren

Kristalle faszinieren durch ihre akkurate Symmetrie, die oft spiegelglatte Flächen hervorbringt, in denen sich das Licht spiegelt. Schon mit einfachen Hilfsmitteln kann man selbst Kristalle züchten. In einer übersättigten Lösung beispielsweise fügen sich die Moleküle nach einem strengen Bauplan zu einem charakteristischen Gitter zusammen. Wie in der Natur benötigt jedoch jeder Kristall einen Keim, aus dem er schließlich bis zu einer beträchtlichen Größe heranwachsen kann. Erste Aufnahmen des initialen Keimes zeigen, dass dieser entgegen der bisherigen Annahme flach ist und aus 20 bis 50 Molekülen besteht. Mit den Bildern eröffnen sich den Forschern nun neue Einblicke in die Kristallentstehung.
In übersättigten Lösungen beginnen schnell Kristalle zu wachsen. Sie brauchen dafür jedoch einen Startpunkt, den so genannten Kristallisationskeim. Die symmetrischen und oft farbigen Bauwerke lassen sich schon in recht einfachen Versuchen mit recht einfachen Hilfsmitteln herstellen, beispielsweise in einem Glas mit Kochsalzlösung. Doch bis wir mit bloßem Auge die ersten winzigen Körnchen erkennen können, ist in der Größendimension der gelösten Teilchen bereits einiges geschehen. Wissenschaftler fragten sich deshalb schon lange, was genau passiert, bis schließlich aus einigen Molekülen des gelösten Stoffes ein Keim wird, an dem sich dann schnell weitere Bausteine anlagern.

Die Geburtsstunde eines Kristalls, die so genannte Keimbildung, konnten Peter Velikow und Siu-Tung Yau von der University of Alabama in Huntsville nun erstmals in Bildern festhalten (Nature vom 3. August 2000). Um in das Reich der Moleküle vorzudringen, verwendeten die Forscher ein Rasterkraftmikroskop. Seine Spitze richteten sie mehrmals auf den Boden eines Gefäßes mit einem Volumen von nur 50 Tausendstel Millilitern, das mit einer übersättigten Lösung von Apoferritin gefüllt war – einem kugelförmigen Protein. Mit ihrer Apparatur konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die neu entstandenen Keime Moleküle anlagerten oder verloren und welche Form sie hatten. Und dabei machten sie eine interessante Entdeckung: "Erwartet haben wir etwas Kompaktes", meint Velikow, "aber die Keime waren ziemlich eben, ähnlich wie ein Holzfloß." Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass die ersten Strukturen rundlich sein müssten, da sie – ähnlich wie Seifenblasen – einer Oberflächenspannung ausgesetzt sind, die ihre Oberfläche verkleinert. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass die kritische Größe eines Kristallisationskeimes, bei der das rasante Wachstum von Kristallen startet, zwischen 20 und 50 Molekülen beträgt – je nach Konzentration der übersättigten Lösung.

Warum die Keime allerdings flach und nicht rund sind, bleibt vorerst unklar. "Es ist eine Überraschung", meint der Chemiker David Oxotoby von der University of Chicago, "diese Entdeckung wirft sicherlich Fragen über die klassische Theorie der Kristallisation auf".

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