Kritische Rohstoffe: Bergbau in Europa ist nötig, aber unerwünscht

Das größte Lithiumvorkommen Europas schlummert im Jadar-Tal in Serbien. Dort lagert das Tonmineral Jadarit, das Bor und Lithium enthält. Die Bergbaufirma Rio Tinto hegt Pläne, es abzubauen. Wie Berichte nahelegen, wird die Gewinnung sich hier wirtschaftlich mehr lohnen als der Abbau der Spodumen-Lagerstätten in Australien, aber teurer werden als die Gewinnung aus Sole, wie sie in Südamerika praktiziert wird.
In Serbien werden bereits Elektrofahrzeuge gebaut, eine Batteriefabrik ist geplant. Mit der Mine könnte das Land eine beneidenswerte Lieferkette aufbauen. Die Pläne von Rio Tinto werden jedoch von Kontroversen begleitet, da es Bedenken gibt, die Mine werde der Umwelt schaden. Das ist kein Einzelphänomen: Sowohl die EU als auch die USA haben einerseits Anreize geschaffen, um eine bessere Eigenversorgung mit kritischen Metallen zu fördern. Denn derzeit hängen sie in dieser Hinsicht von einzelnen Ländern ab, etwa China. Andererseits formiert sich gegen die Erschließung neuer Minen oft hartnäckiger Widerstand.
Dafür, dass Lithium für die Energiewende als unverzichtbar gilt, fördern und verarbeiten die europäischen Länder und die USA bemerkenswert wenig davon. Dabei sind die Böden in Europa reich an dem Metall. Peter Tom Jones, Direktor des KU Leuven Institute for Sustainable Metals and Minerals in Belgien, bringt das Problem auf den Punkt: »Es ist widersprüchlich: Wir haben Lithiumlagerstätten, und wir brauchen das Metall dringend, um unsere grüne Mobilitätsrevolution voranzutreiben. Aber anscheinend sind wir völlig unfähig, die Lagerstätten in funktionierende Minen zu verwandeln.«
Es gibt Anzeichen dafür, dass sich hier etwas tut. Die USA haben unter der Biden-Regierung eine neue Lithiummine im Bundesstaat Nevada genehmigt, ein weiteres Vorhaben soll ganz in der Nähe entstehen. Die EU verabschiedete im Mai 2024 den Critical Raw Materials Act: Ab dem Jahr 2030 sollen demnach zehn Prozent der benötigten kritischen Rohstoffe in der EU gefördert, 40 Prozent dort weiterverarbeitet und 25 Prozent durch Recycling wiedergewonnen werden. Im Juli desselben Jahres unterzeichneten die EU und Serbien ein Abkommen für eine strategische Partnerschaft über Rohstoffe für Batterien und Elektrofahrzeuge. »Diese eine Mine in Serbien könnte genügend Lithium liefern, um 45 Jahre lang eine Million E-Autos pro Jahr herzustellen«, sagt Jones. »Ihre Erschließung könnte das europäische Lithiumproblem größtenteils entschärfen«.
Auch in Portugal liegen Lithiumvorräte. Das Land fördert derzeit nur relativ wenig davon, könnte diese Menge aber deutlich steigern. Eine weitere Mine wird in Finnland eröffnet, und es gibt viel versprechende Gesteinsvorkommen in Spanien und im Erzgebirge an der tschechisch-deutschen Grenze.
Das Interesse für die Lithiumförderung nahm zuletzt im Jahr 2022 stark zu, als der Preis für Batterielithium sprunghaft auf fast 80 000 US-Dollar pro Tonne stieg. Ab Mitte 2023 begannen die Preise jedoch wieder auf das vorherige Niveau zu fallen und bewegen sich derzeit um 10 000 US-Dollar pro Tonne.
Kritische Rohstoffe
»Kritisch« werden Rohstoffe dann genannt, wenn sie für wichtige Technologien unerlässlich, aber nicht sicher verfügbar sind. So werden Lithium, Kobalt und Nickel in der Batterieherstellung eingesetzt, Gallium wird für Solarpanele benötigt und Rohbor für Windtechnologien verwendet. Titan und Wolfram etwa sind in der Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie essenziell.
Allerdings sind die weltweiten Vorräte knapp und es gibt keine praktikablen Alternativen für kritische Rohstoffe. Es könnte deshalb passieren, dass einige der Quellen für diese Materialien in den kommenden Jahrzehnten erschöpft sein werden oder Konflikte darum entstehen. Das macht es nötig, Förderung, Weiterverarbeitung und Wiederverwertung von kritischen Rohstoffen in Deutschland und Europa auszubauen.
»Die Preisspitze hat einen erheblichen Anreiz für viele neue Projekte geschaffen, aber dadurch ist neues Angebot entstanden, woraufhin der Preis wieder gesunken ist«, erklärt Thomas Chandler, Analyst beim Beratungsunternehmen SFA Oxford. Seither wurden in Europa und Nordamerika weit weniger Elektroautos verkauft, als Investoren gehofft hatten. Entsprechend gedämpft sind deren Erwartungen an die steigende Nachfrage nach Lithium.
China dominiert den Lithiummarkt
Weil China die Lithiumverarbeitung, die Batterieherstellung und die Produktion von Elektrofahrzeugen im eigenen Land vereint hat, kann es höhere Kosten in den ersten Abschnitten der Lieferkette auffangen. Das Land fördert einen Großteil des eigenen Lithiums aus Lepidolith, einem Gesteinserz, das relativ teuer zu verarbeiten ist. China importiert, verarbeitet und exportiert aber auch große Mengen Lithium von Produzenten aus der ganzen Welt und besitzt dadurch einen erheblichen Markteinfluss, wodurch es Preise setzen kann. »Der Preis ist wegen des chinesischen Überangebots an billigem Lithium niedrig«, sagt Jones.
Angesichts der niedrigeren Preise rechnen Analysten damit, dass sich der Markt ein Stück weit konsolidiert. Im Oktober 2024 kaufte Rio Tinto das US-Unternehmen Arcadium Lithium für 6,7 Milliarden Dollar (zirka 6,2 Milliarden Euro). Dadurch stieg das angloaustralische Bergbauunternehmen zu einem bedeutenden Lithiumproduzenten auf. Erworben hat es mit der Übernahme Hartgestein- und Solebeckenminen in Südamerika und Australien mit verschiedenen Extraktions- und Raffinierungsverfahren sowie die Herstellung von Lithiumchemikalien. »Rio Tinto hat schon seit einigen Jahren versucht, in den Markt einzusteigen, aber jetzt war der Zeitpunkt günstig«, sagt Chandler. Auch kleinere Unternehmen hätten Angebote abgegeben, doch gerade für große Firmen sei die Gelegenheit gut gewesen, zuzuschlagen.
Dieses Interesse passt zu dem wachsenden Hunger nach dem leichten Metall, den Experten erwarten – getrieben vor allem durch den steigenden Bedarf an Batterien für Elektrofahrzeuge. Wie die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, wird die weltweite Nachfrage von 165 Kilotonnen im Jahr 2023 auf 400 bis 700 Kilotonnen im Jahr 2030 steigen, bis 2040 sogar auf rund 1700 Kilotonnen. Zu dieser Einschätzung kommt die Organisation in ihrem Bericht zu kritischen Mineralen von 2024.
Elektromobilität braucht mehr Lithium
Kurzfristig dürfte genügend Lithium vorhanden sein, um die Nachfrage zu bedienen. Mittel- bis langfristig wird es jedoch nötig sein, weitere Vorkommen abzubauen und zu verarbeiten. Laut dem IEA-Bericht dürften die Preise bei Lithium zudem stärker schwanken als bei anderen wichtigen Mineralen. Das birgt erhebliche geopolitische Risiken, denn die drei Länder China, Argentinien und Chile verarbeiten derzeit zusammen zirka 85 Prozent des Lithiums auf dem Markt.
Um diese Risiken abzumildern, fahren Europa und die USA einen zweigleisigen Ansatz. Zum einen wollen die Länder ihre Rohstoffe aus mehr unterschiedlichen Quellen beziehen. Dazu wurde beispielsweise die Minerals Security Partnership gegründet, ein Zusammenschluss von der EU und 14 weiteren Ländern, der Investitionen in Lieferketten kritischer Minerale fördert. Zum anderen wollen sie den Abbau und die Verarbeitung in den eigenen Ländern vorantreiben.
Das ist leichter gesagt als getan. In Serbien sind Bedenken aufgekommen, das Minenprojekt im Jadar-Tal werde die Umwelt schädigen. Rio Tinto bestreitet das. Die Regierung und der Präsident unterstützen das Projekt, die Opposition ist dagegen.
»Hier gibt es ein gigantisches und beängstigendes Ausmaß an Desinformation«Peter Tom Jones, Umweltingenieur
Peter Tom Jones hat das Gebiet besucht und für einen Dokumentarfilm mit Gegnern und anderen Personen über die geplante Mine gesprochen. »Hier gibt es ein gigantisches und beängstigendes Ausmaß an Desinformation«, berichtet er. »Gebildete Serben glauben, dass Rio Tinto das Wasser von 80 Millionen Menschen vergiften wird.« Zeitungen bildeten stets einen Tagebau ab, wenn sie über die geplante Mine berichteten, dabei werde diese unterirdisch sein. Weiter wurde behauptet, die Abraumhalden würden in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet verbleiben und Jadarit sei radioaktiv.
Widerstand gegen heimischen Bergbau
Auch anderswo in Europa formiert sich Widerstand gegen geplante Minen, etwa bei der Spodumen-Lagerstätte San José in Westspanien oder bei Barroso in Portugal. Das berichtet Jochen Kolb, Wirtschaftsgeologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ihm zufolge fehlt es außerdem an Wissen, um die geplanten Projekte überhaupt umzusetzen. »Wir haben immer noch ein großes geologisches Potenzial für den Metallbergbau in Europa. Er wird jedoch schwierig durchführen sein, weil wir keine Industrie mehr dafür haben.« Einige Länder wie Deutschland haben die Erkundungen nach Mineralienvorkommen spätestens in den 1980er Jahren eingestellt. »In Deutschland haben wir gesagt, dass wir das nicht mehr wollen«, fügt Kolb hinzu. »Bergbau gilt als gefährlich, als schmutzig. Wir können billig auf dem Weltmarkt einkaufen.« Unternehmen lassen sich außerdem von dem Flickenteppich an Vorschriften in den verschiedenen europäischen Ländern abschrecken, der für sie schwer durchschaubar ist.
In einigen Regionen Europas, etwa in den skandinavischen Ländern, wird der Bergbau jedoch weiterhin betrieben, und neue Aktivitäten könnten dort auf offene Ohren stoßen. Finnland baut beispielsweise Nickel, Zink und Kupfer ab, außerdem Kobalt und Platingruppenmetalle. Darüber hinaus arbeitet das Land daran, Lithiumhydroxid in Batteriequalität aus dem Mineral Spodumen zu gewinnen.
Die Firma Cornish Lithium wiederum hat es in Südwestengland auf einen Granit abgesehen, der das lithiumreiche Silikatmineral Zinnwaldit enthält. Im Rahmen eines Projekts wird das Gestein zerkleinert, um das Lithium zu gewinnen; eine Demonstrationsanlage in kleinem Maßstab wurde 2024 eröffnet. Das Unternehmen hofft, dort ab 2027 jährlich 10 000 Tonnen Lithiumhydroxid herzustellen. Andere Unternehmen haben ähnliche Granitvorkommen an der deutsch-tschechischen Grenze im Visier, etwa das Unternehmen Zinnwald Lithium.
»Dieser Granit enthält im Vergleich zu anderen Graniten auf der Welt zwar viel Lithium, doch dieses ist nur in bestimmten Bereichen so stark konzentriert, dass sich die Gewinnung lohnt«, urteilt Lucy Crane, die als Geologin bei Cornish Lithium arbeitet. Gegen dieses Vorhaben gab es kaum öffentlichen Widerstand. Das liegt möglicherweise auch daran, dass auf dem Gelände der Demonstrationsanlage früher schon Porzellanerde (Kaolinit) abgebaut wurde und der Bergbau in dem Gebiet bereits eine lange Geschichte hat.
Ein weiteres Vorhaben der Firma hat nichts mit dem klassischen Abbau von Erzen zu tun: Das Unternehmen plant Bohrungen, um lithiumhaltige Sole aus dem Untergrund an die Oberfläche pumpen. Einen Teil der dadurch gewonnenen Wärme will es an Wohnungsbauprojekte oder die Industrie verkaufen. »Bei der Geothermie sind wir wahrscheinlich noch zwei bis drei Jahre von der kommerziellen Produktion entfernt«, sagt Crane. »Wir haben sechs Erkundungsbohrungen in ein bis zwei Kilometer Tiefe angestellt.«
Thermalwasser als alternative Lithiumquelle
In Deutschland und Frankreich sind die heißen Solen derzeit ebenfalls interessant. Das Unternehmen Vulcan Energy gewinnt seit 2021 Lithium aus heißer Sole in einer Pilotanlage im Oberrheingraben. Anfang 2024 begann die Firma mit der Produktion von Lithiumchlorid und eröffnete im November desselben Jahres eine Pilotanlage, in der sie Lithiumhydroxid in Batteriequalität herstellt. Jochen Kolb hat das Extraktionsverfahren mitentwickelt. Nach ersten Berechnungen sei die Gewinnung aus solchen Solen günstiger als der Abbau von hartem Gestein, erzählt der Geologe, aber immer noch teurer als der Abbau aus Salaren, wie sie in Südamerika stattfindet.
Auch die Vorräte anderer Ressourcen, die für die Energiewende unverzichtbar sind, konzentrieren sich auf wenige geografische Flecken. Die weltweite Nachfrage nach seltenen Erden, die etwa in Magneten, Glasfaserkabeln und Bildschirmen verwendet werden, hat sich laut einer aktuellen Analyse der IEA zwischen 2015 und 2023 fast verdoppelt und liegt heute bei zirka 93 Kilotonnen pro Jahr. Drei Produzenten liefern 85 Prozent davon, allein China steuert 63 Prozent bei. Bei der Raffination dominiert die Volksrepublik noch stärker und verantwortet 92 Prozent der weltweiten Produktion. »Chinesische Unternehmen produzieren etwa 90 Prozent der Permanentmagneten mit seltenen Erden«, sagt Roderick Eggert, Ökonom an der Colorado School of Mines in Golden, USA. Diese braucht man etwa in Turbinen von Windrädern.
»Sowohl für Lithium als auch für seltene Erden sind außerhalb Chinas bedeutende Lagerstätten bekannt«Roderick Eggert, Ökonom
Dabei gibt es anderswo durchaus Vorkommen der begehrten Rohstoffe. »Sowohl für Lithium als auch für seltene Erden sind außerhalb Chinas bedeutende Lagerstätten bekannt«, sagt Eggert. Es könnte jedoch Jahre dauern, bis neue Minen und Verarbeitungskapazitäten aufgebaut sind. »Bei den seltenen Erden ist die Situation ähnlich wie bei Lithium. Wir haben in Europa einige schöne Vorkommen, aber keine Minen für seltene Erden in Betrieb«, sagt Peter Tom Jones.
Einige Seltenerdmetalle sind deshalb schwierig zu gewinnen, weil radioaktive Elemente wie Uran und Thorium in den Erzen vorkommen. Doch die Komplikationen sind nicht rein technischer Natur – so scheiterte ein potenzielles Projekt zum Abbau von seltenen Erden in Grönland, weil politisch entschieden wurde, jeglichen Uranabbau dort zu verbieten. Am schnellsten wächst die Produktion von seltenen Erden, die für Magnete gebraucht werden, in Malaysia: Laut Prognosen der IEA wird das Land seine Produktion bis zum Jahr 2030 von derzeit fünf Prozent auf zwölf Prozent der weltweiten Kapazitäten steigern. Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass Europa oder Nordamerika in absehbarer Zeit eine wichtige Rolle bei der Förderung oder Verarbeitung spielen werden.
Mit dem Bergbau anfreunden
Noch problematischer ist für die westlichen Länder die Versorgungssicherheit mit Kupfer. Mit der fortschreitenden Elektrifizierung von Industrie und Mobilität wird die Nachfrage nach dem Metall in die Höhe schießen. Auch hier liegt die Produktion in den Händen weniger Länder: Chile baut allein derzeit 23 Prozent des weltweiten Kupfers ab, die Demokratische Republik Kongo 14 Prozent und Peru elf Prozent. In der Kupferraffination hält China sogar einen Marktanteil von 45 Prozent. Trotzdem sorgen sich die Länder im Fall von Kupfer dieser Tage nicht um die fehlende Vielfalt der Erzeuger. Im Fokus steht laut Eggert eine viel grundlegendere Frage: »Wird die Produktion stark genug wachsen, um die steigende Nachfrage längerfristig auf ökologisch und sozial nachhaltige Weise zu decken?«
Es wäre offensichtlich viel gewonnen, wenn die europäischen Länder selbst mehr von den Metallen abbauen würden, die sie benötigen. Und für den Übergang zu »grünen« Technologien braucht es einfach viele Metalle. »Ein Elektroauto benötigt mehr davon als ein Verbrenner. Eine Offshore-Windturbine braucht viel mehr kritische Metalle pro Megawatt als eine Gasturbine«, sagt der Experte.
Europa und Nordamerika werden sich daher wieder mit dem Bergbau anfreunden müssen, um zumindest einen Teil der Versorgung sicherzustellen. »Wir sollten eine Grundversorgung mit jedem einzelnen Metall haben, das wir in Europa verwenden«, findet Kolb. Andernfalls werde es von einzelnen Ländern wie China abhängen, ob Europa seine CO2-Reduktionsziele erreicht – in einer Zeit, in der die geopolitischen Spannungen zunehmen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.