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News: Krumme Hinweise auf dunkle Materie

Kleine und oft genug auch große Menschen wollen in der Regel Unheil von sich abwenden, wenn der Ruf ertönt: "Der hat aber zuerst ..." In der Wissenschaft ist das anders. Hier geht es darum, als Erster dabei zu sein, auch wenn man dafür behaupten muss, nicht richtig geradeaus gucken zu können. Und genau das haben drei Wissenschaftlerteams Ende Februar bekannt gegeben. Die Gruppen arbeiten alle mit verschiedenen Teleskopen und stellten unabhängig voneinander Verzerrungen an weit entfernten Galaxien fest. Schuld daran sind nach Ansicht der Forscher große Ansammlungen von dunkler Materie - jenem geheimnisvollen Stoff, der das Universum zusammen hält.
Ferne Galaxien erscheinen am Himmel als blass leuchtende Ellipsen. Muss das Licht, das von diesen Galaxien kommt, auf seinem Weg zur Erde große Massekonzentrationen wie schwarze Löcher oder Neutronensterne passieren, wird es abgelenkt und die Ellipsen wirken verbogen. Da das Licht eines bestimmten Himmelsabschnitts den gleichen Weg hat, also an den selben Massekonzentrationen vorbei muss, erscheinen die Galaxien dieses Abschnittes nicht mehr zufällig orientiert, sondern alle weisen in die selben Richtung.

Was Astronomen schon seit vielen Jahren versuchen nachzuweisen, gelang nun gleich drei Wissenschaftlergruppen innerhalb von wenigen Tagen: Sie konnten winzige Verformungen sehen, die nach Meinung der Forscher Hinweise auf gigantische Massekonzentrationen im Universum sind. Die Wissenschaftler eines Forscherteams vom Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT) in Hawaii gaben ihre Entdeckung am 27. Februar 2000 auf Astro-Ph bekannt. Das ist ein Internet-Server, der vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico unterhalten wird. Nur fünf Tage später folgte eine Gruppe, die am William Herschel Telescope auf den Kanarischen Inseln arbeitet und eine Gruppe vom Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile. Kurz darauf machten die Forscher vom CFHT deutlich, sie seien die Ersten gewesen, die von diesem Phänomen berichtet hätten.

Um den Gravitations-Effekt sehen zu können, mussten die Forscher ähnliche Verzerrungen, die durch die Atmosphäre und das Teleskop selber verursacht werden, herausfiltern. Dafür betrachteten sie Sterne aus unserer Milchstraße, denn in so kurzer Entfernung können Deformationen durch Massekonzentrationen noch nicht sichtbar werden und alle detektierten Verformungen müssen atmosphärische oder optische Gründe haben. Anschließend rechneten die Forscher die verschwommenen Sterne in scharfe Punkte zurück. Die gleichen Korrekturen wandten sie auf die Formen der Galaxien im selben Himmelsabschnitt an. Da sie die atmosphärischen und optischen Störungen somit eliminiert hatten, konnten sie alle beobachteten Verzerrungen auf Massekonzentrationen dunkler Materie zurückführen. Allerdings waren die Verformungen so gering, dass jede Gruppe einige zehntausend Galaxien auswerten musste, um sie überhaupt nachweisen zu können.

Der Beweis, dass solche Massekonzentrationen die Verzerrungen ausgelöst haben könnten, "liegt jenseits von 'möglicherweise ist es richtig'", sagt Timothy MacKay, Astrophysiker an der University of Michigan, Ann Arbor, und meint, es müssten nun schnell präzisere Messungen folgen. "Was wir wirklich sehen wollen, ist die kosmische Infrastruktur, das Netz der gigantischen Massekonzentrationen, welches das Universum zusammenhält", sagt Michael Turner von der University of Chicago. "Und Verformungen von Galaxien sind der richtige Weg dahin."

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