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News: Kryptische Chemie

Normalerweise zeigen Edelgase kaum Interesse an anderen Elementen, an Kohlenstoff schon gar nicht. Unter bestimmten Bedingungen und mit einigen Tricks lassen sich die reaktionsträgen Gase jedoch zu einer chemischen Bindung überreden.
Krypton-Verbindung
Eigentlich zählen die Edelgase eher zu den unspektakulären Elementen. Sie sind farblos, riechen und schmecken nicht und sind weder brennbar noch giftig. Da sie sich aufgrund ihrer voll besetzten Orbitale auch kaum zu einer chemischen Reaktion bewegen lassen, galt noch bis Anfang der sechziger Jahre die These, dass sie völlig inert sind und gänzlich außerstande, stabile Bindungen mit sich selbst oder anderen Elementen einzugehen.

Zwar waren bestimmte Einschlussverbindungen (Clathrate) bekannt, in denen ein oder mehrere Edelgasatome kurzerhand in einen molekularen Käfig gesperrt waren. Eine "richtige" Verbindung, in der einem der Elemente die Rolle eines echten Bindungspartners zukommt, ließ sich jedoch lange Zeit nicht synthetisieren – obgleich Linus Pauling schon 1927 vorausgesagt hatte, dass es auch solche Verbindung geben müsse.

Doch 1962 war dann schließlich das erste Edelgas fällig: Xenon, das schwerste der Gase. Neil Bartlett gelang damit die erste echte Darstellung einer Edelgasverbindung. Es bedurfte jedoch einer äußerst reaktiven Fluorverbindung, um das Gas zur Kooperation zu bewegen. Die Druckerschwärze der Veröffentlichung war kaum getrocknet, als bereits andere Wissenschaftler nachlegten und weitere Xenonverbindungen schufen. Und die anderen Edelgase folgten ebenfalls.

Auch Leonid Khriachtchev von der University of Helsinki und seine Kollegen haben eine gewisse Routine bei der Synthese von Edelgasverbindungen entwickelt. Vor fünf Jahren experimentierten sie beispielsweise mit Krypton, das sie mit einem Cyanid verheiraten konnten. Und vor drei Jahren gelang ihnen die erstmalige Darstellung einer Argonverbindung.

Nun wendeten sich die Chemiker wieder dem Krypton zu. Denn wenngleich sie mit ihrer Krypton-Cyanid-Verbindung bereits den ersten Schritt zu einer organischen Verbindung getan hatten, so wollten sie nun eine richtige Kohlenstoff-Wasserstoff-Edelgas-Verbindung hervorbringen.

Dazu mischten die Wissenschaftler Krypton zunächst mit dem äußerst reaktionsfreudigen Kohlenwasserstoff Ethin, das auch als Acetylen bekannt ist. Dieses Gasgemisch kühlten sie dann auf 265 Grad Celsius ab, einer Temperatur bei der beide Gase gefroren sind. Eingebettet in eine Matrix aus Kryptoneis bestrahlten Khriachtchev und sein Team das Ethin mit UV-Licht, wodurch sich pro Molekül ein Wasserstoffatom ablöste. Als die Forscher das gefrorene Gemisch nun etwas erwärmten, schnappte sich der verbleibende hoch reaktive Kohlenwasserstoffrest ein Kryptonatom, an welches sich zum Schluss auch das zuvor losgelöste Wasserstoffatom heftete.

Nachweisen konnten die Wissenschaftler die Verbindung im infraroten Licht. Denn die Moleküle der Verbindung hinterließen eine charakteristische Absorptionslinie beim Durchleuchten der Probe. Damit ist also erstmals eine lupenreine organische Verbindung des Edelgases dargestellt worden – denn trotz des Kohlenstoffs, der im Cyanid-Rest sitzt, werden diese Salze der Blausäure nicht voll zu den organischen Verbindungen gezählt.

Übrigens, die Entdeckung von Krypton gelang den beiden Chemikern Sir William Ramsay (1852-1916) und Morris William Travers (1872-1961) zusammen mit anderen Edelgasen bereits im Jahre 1898. Der Name "Krypton" leitet sich dabei vom griechischen Wort kryptós ("verborgen") ab und verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Gewinnung des Edelgases. Offenbar lässt sich der Name aber auch ohne weiteres auf die Schwierigkeiten bei der Darstellung einer organischen Edelgas-Verbindungen übertragen – so gesehen, durchaus eine kryptische Chemie.

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