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Kuba-Krise: Der Tag, an dem ein Mann einen nuklearen Weltkrieg verhinderte

Am 27. Oktober 1962 stand die Welt kurz vor einem Atomkrieg. Erst Jahrzehnte später wurde bekannt, dass der sowjetische Offizier Wassili Archipow in letzter Sekunde einen nuklearen Angriff auf die US-Navy abgewendet hatte.
Ein Helikopter der US-Navy überwacht während der Blockade ein sowjetisches U-Boot.
Ein Helikopter der US-Navy überwacht während der Kuba-Krise im Jahr 1962 ein sowjetisches U-Boot.

Seit Tagen schon hatten die Männer keine Nachrichten mehr erhalten. Ihre Verfolger ließen sie nicht auftauchen und so konnten sie weder neue Befehle empfangen noch die feindlichen Radiomeldungen abhören. Ständig ließen Detonationen das Innere des U-Boots erzittern. Durch die Metallwände verstärkten sich die Explosionsgeräusche enorm. »Es fühlte sich an«, erinnert sich der damalige sowjetische Funkoffizier Vadim Orlov, »als säße man in einer Eisentonne und jemand schlägt ununterbrochen mit einem Vorschlaghammer dagegen«.

Dann traf eine Sprengladung das U-Boot. »Wir dachten – das ist es – das ist das Ende«, berichtet Orlov in dem Buch »The Cuban Samba of the Quartet of Foxtrots«. Der völlig erschöpfte Kapitän der U-59, der erst 35-jährige Walentin Grigorjewitsch Sawizki, wusste seit Tagen nicht, was an der Wasseroberfläche vor sich ging, und geriet außer sich. »Vielleicht hat dort oben schon der Krieg begonnen, während wir hier Purzelbäume schlagen«, schrie er wütend. Dann befahl er, den Atomtorpedo abschussbereit zu machen. »Wir werden sie in die Luft jagen! Wir werden sterben, aber wir werden sie alle versenken – wir werden nicht zur Schande der Flotte werden.«

Etwa vier Wochen zuvor, um vier Uhr früh am 1. Oktober 1962, waren vier sowjetische U-Boote in voller Gefechtsbereitschaft aus der Sajda-Bucht etwa 60 Kilometer nördlich der wichtigen russischen Hafenstadt Murmansk ausgelaufen. Erst auf hoher See durften die Kapitäne die Umschläge öffnen, in denen sich Auftrag und Ziel der Reise befanden. Der Befehl war kurz: Als Teil der Operation »Anadyr« sollten die Schiffe bei strikter Geheimhaltung innerhalb weniger Wochen in die Karibik fahren und dort »zur Stärkung der Verteidigung der Insel Kuba« im Hafen von Mariel in der Nähe von Havanna einen Marinestützpunkt aufbauen. Kuba hatte sich seit der Revolution 1959 unter Fidel Castro zu einem kommunistischen Verbündeten des Ostblocks entwickelt. Die Welt befand sich mitten im Kalten Krieg.

Die vier gut 90 Meter langen und 7,5 Meter breiten U-Boote gehörten zur Foxtrott-Klasse und wurden dieselelektrisch angetrieben. Sie hatten deswegen den Nachteil, dass die Batterien nach einiger Zeit aufgeladen werden mussten, wozu das U-Boot auftauchen musste. Trotzdem gelangte die Flottille unbemerkt an Norwegen und Großbritannien vorbei in den Atlantik. Doch Boote und Crew waren nicht auf das tropische Klima vorbereitet. Der hohe Salzgehalt und die Hitze in den Booten machten Menschen und Maschinen Probleme. Es gab keine Klimaanlagen und kein Kühlungssystem für die Batterien. Noch dazu mangelte es erheblich an Platz, da zusätzlich zu der rund 80-köpfigen Crew pro Schiff auch noch neun Kommunikationsspezialisten an Bord waren.

Menschliche Fehlentscheidungen waren nicht vorgesehen

Walentin Grigorjewitsch Sawizki hätte mit dem Befehl zum Abschuss des Atomtorpedos einen Nuklearkrieg auslösen können. Das »Gleichgewicht des Schreckens« zwischen den USA und der Sowjetunion sollte die beiden Supermächte davon abhalten, einen atomaren Erstschlag auszuführen. Denn dieser hätte immer auch eine nukleare Vergeltung der Gegenseite nach sich gezogen. Auf menschliche Fehlentscheidungen war dieses Prinzip allerdings nicht ausgelegt.

Unter normalen Umständen war der Einsatz von Atomwaffen deswegen nur auf Anordnung des sowjetischen Verteidigungsministers möglich. Doch gestaltete sich die Befehlslage im Jahr 1962 im Atlantik sehr diffus. Sehr wahrscheinlich gehörten die vier U-Boote der sowjetischen Nordmeerflotte zu den ersten ihrer Klasse, die mit Atomtorpedos bestückt waren. Neben den 21 konventionellen Torpedos auf jedem der vier Boote waren sie alle mit einem als »Spezialwaffe« bezeichneten zusätzlichen Torpedo gerüstet. Er hatte eine Reichweite von 19 Kilometern und besaß einen Nuklearsprengkopf mit einer Zerstörungskraft von annähernd einer Hiroshima-Atombombe.

»Die einzige Person, die mit uns über diese Waffen gesprochen hatte, war der Vizeadmiral«, erinnerte sich später einer der anderen Kapitäne. »Er sagte: ›In drei Fällen sollen Sie sie verwenden. Erstens, wenn der Feind Sie unter Wasser beschießt. Wenn er Ihnen ein Loch in den Rumpf reißt. Zweitens über Wasser. Wenn Sie an die Oberfläche kommen müssen und auf Sie geschossen wird und Sie ein Loch im Rumpf erhalten. Und der dritte Fall – wenn Moskau Ihnen befiehlt, diese Waffen einzusetzen.‹ Das waren unsere Anweisungen. Und dann fügte er noch hinzu: ›Ich rate Ihnen, Kommandanten, dass Sie zuerst die Atomwaffen einsetzen und dann herausfinden, was danach zu tun ist.‹«

Kapitänleutnant Anatoli Petrowitsch Andrejew war Teil der Besatzung eines der U-Boote. Ein Brief an seine Frau ist eine der wenigen authentischen Beschreibungen des Lebens an Bord der Schiffe. Mitte Oktober hatte der Hurrikan Ella die U-Boote überrascht und einige geringe Schäden verursacht. »Zwei Wochen lang«, schreibt Andreyev, seien sie vom Sturm »herumgepeitscht worden« und hätten kaum Schlaf gefunden.

In den U-Booten herrschte unerträgliche Hitze

Doch das Schlimmste seien die Temperaturen an Bord gewesen. »Die Hitze macht uns verrückt. Alle laufen in Shorts und Sandalen herum, nur der Decksoffizier zieht aus Anstandsgründen eine marineblaue Jacke an. In einigen der Abteilungen ist es bis zu 57° C heiß. Selbst am kühlsten Ort sind es immer noch 37° C.« Außerdem hätten die Männer unter der extrem hohen Luftfeuchtigkeit gelitten. »Wir sehen alle aus, als kämen wir gerade aus einem Dampfbad. Das Atmen fällt immer schwerer.« Trinkwasser war streng rationiert, nur 250 Milliliter pro Tag und Person waren erlaubt. »Alle reden nur über den Durst. Ich fühle mich am ganzen Körper schwach. Es ist schwer zu schreiben, das Papier ist schweißnass.«

Dazu kam, dass sie keine Informationen darüber erhielten, was eigentlich in der Welt vor sich ging. Nach mehr als zwei Wochen auf See bekamen die sowjetischen U-Boote am 15. Oktober den Befehl aus Moskau, nicht weiter nach Kuba zu fahren und auf neue Befehle zu warten. Am selben Tag hatten US-amerikanische U2-Spionageflugzeuge die ersten Beweisfotos von Abschussrampen und Mittelstreckenraketen auf Kuba gemacht, die nuklearbestückt die USA bedrohten. Hinter den Kulissen begann die Geheimdiplomatie in Washington und Moskau zu arbeiten. Der Beginn der 13-tägigen Kuba-Krise.

Im Oval Office | US-Präsident John F. Kennedy (rechts) traf am 18. Oktober 1962 im Weißen Haus in Washington D. C. mit dem stellvertretenden sowjetischen Ministerpräsidenten Wladimir S. Sejemenow (v.l.n.r.), dem UdSSR-Botschafter Anatoli F. Dobrynin und dem sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko zusammen. Das Gespräch brachte jedoch keine Lösung für die Kuba-Krise.

Doch über all das wurden die sowjetischen U-Boote im Atlantik nicht informiert. Die russischen Funker konnten lediglich die US-amerikanischen Radionachrichten verfolgen, um sich ein Bild zu machen. So hörten sie am 22. Oktober die Ansprache John F. Kennedys, in der der US-Präsident die Öffentlichkeit über die auf Kuba stationierten sowjetischen Nuklearraketen informierte. Dabei erörterte er auch, dass die US-Regierung eine Seeblockade über die Insel verhängen werde, die alle »offensiven Militärausrüstungen« betreffen solle. »Schiffe jeglicher Art, die aus welcher Nation oder welchem Hafen auch immer nach Kuba fahren, werden zurückgewiesen, wenn sie Angriffswaffen geladen haben.« Außerdem betonte Kennedy, dass »jede Atomrakete, die von Kuba gegen eine Nation in der westlichen Hemisphäre abgefeuert wird, als ein Angriff der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten betrachtet wird, der eine vollständige Vergeltungsreaktion auf die Sowjetunion erfordert.«

Während dem sowjetischen Kommandeur auf Kuba noch am Abend des 22. Oktober der eigenmächtige Einsatz von Nuklearraketen auch im Falle eines Angriffs oder einer US-Invasion untersagt wurde, erhielten die U-Boot-Kommandanten im Atlantik keine solche Nachricht. Der letzte Befehl, den sie eine Woche zuvor aus Moskau empfangen hatten, lautete, unter strikter Geheimhaltung in der Sargassosee zu patrouillieren. Dieses Meeresgebiet zwischen Florida und den Bermudas sollte kurz darauf zu dem Bereich gehören, den Kennedy zur Quarantänezone erklärt hatte.

Fatales Kommunikationsproblem zwischen den Supermächten

Vor allem hier suchten 32 Zerstörer, 4 Flugzeugträger sowie 385 Flugzeuge und damit rund 85 Prozent der gesamten US-Atlantikflotte nach Schiffen, die die Blockade durchbrechen oder umgehen wollten. Ganz besonders standen dabei die sowjetischen U-Boote im Fokus. Auf sie wurde regelrecht Jagd gemacht. Im US-Radio war zu hören, eine Invasion Kubas stünde kurz bevor und man müsse sich auf einen thermonuklearen Krieg mit der Sowjetunion vorbereiten. In Florida, so hörten es die russischen U-Bootfahrer, würden bereits Speziallager für die sowjetischen Gefangenen errichtet.

Der Historiker Bernd Greiner beschreibt in seinem Buch »Die Kuba-Krise« das enorme Kommunikationsproblem, das zwischen den Supermächten herrschte. Nicht nur, dass Washington erst am 27. Oktober Moskau über die genauen Koordinaten des maritimen Sperrriegels informierte, US-Verteidigungsminister Robert McNamara änderte zwischenzeitlich auch die Spielregeln. »Entgegen den international geltenden Vorschriften, wonach die Forderung zum Auftauchen nur mit Sonarsignalen gegeben werden darf, ordnete McNamara den Einsatz kleinkalibriger Unterwasserbomben an«, schreibt Greiner. Diese »practice depth charges« besaßen in etwa die Sprengkraft einer Handgranate, konnten also ein U-Boot kaum beschädigen. Dem sowjetischen Marineministerium wurde dieses Vorgehen zwar mitgeteilt – um Missverständnisse zu vermeiden –, doch erhielt Washington weder eine Empfangsbestätigung noch wurden die U-Boot-Kommandanten von Moskau darüber informiert. Auch wussten die Verantwortlichen in den USA nicht, dass die U-Boote, auf die sie nun ihre Handgranaten warfen, mit Atomtorpedos bestückt waren.

»Hier im U-Boot ist die Lage sehr ernst. Den Männern geht es merklich schlechter, viele sind krank, werden ohnmächtig, haben geschwollene Füße und niemand kann schlafen bei dieser ungeheuren Hitze«Anatoli Petrowitsch Andrejew, sowjetischer Kapitänleutnant

»Naja, unsere ›Freunde‹, die Amerikaner, haben uns gut in die Zange genommen«, schreibt der sowjetische U-Boot-Fahrer Andrejew seiner Frau. »Sie lassen uns unsere Nase nicht an der Oberfläche zeigen. Sie haben uns gestern entdeckt, aber wir konnten fliehen. Irgendwo ist etwas explodiert, aber in einiger Entfernung von uns, also wissen wir nicht, wie ernst es war. Aber hier, im U-Boot, ist die Lage sehr ernst. Den Männern geht es merklich schlechter, viele sind krank, werden ohnmächtig, haben geschwollene Füße und niemand kann schlafen bei dieser ungeheuren Hitze.«

In dieser Situation »bröckeln«, wie es Andrejew beschreibt, dem Kommandanten seines U-Boots die Nerven. »Er brüllt alle an und quält sich. Er wird bereits paranoid, hat Angst vor seinem eigenen Schatten. Es ist schwer, mit ihm umzugehen. Ich habe Mitleid mit ihm und bin gleichzeitig wütend auf ihn wegen seiner unbedachten Taten.« Etwa zur gleichen Zeit, an jenem 27. Oktober, der als schwarzer Samstag in die Geschichte eingehen sollte, schossen sowjetische Flugabwehrraketen, entgegen dem Befehl aus Moskau, ein U2-Aufklärungsflugzeug über Kuba ab und töteten dabei den Piloten. Die US-Luftstreitkräfte befanden sich da bereits seit einigen Tagen im Alarmzustand DEFCON 2, nur eine Stufe von einem Kriegseinsatz entfernt. Etwa 2952 US-Nuklearwaffen auf Interkontinentalraketen, U-Booten und Bombern standen jederzeit zum Einsatz bereit.

»Wir wollten sie nicht umbringen, wir wollten sie schikanieren, wir versuchten, sie passiv zu foltern«Gary Slaugther, Funkoffizier auf einem der US-Zerstörer

Die USA nahmen das U-Boot in die Mangel

Wenige Stunden später wurde die U-59 schließlich von der US-Marine entdeckt. Der Flugzeugträger Randolph sowie mindestens sieben Zerstörer und etwa ein halbes Dutzend Begleitschiffe nahmen das U-Boot in die Mangel. »Sie fuhren um uns herum und zogen den Kreis enger«, erinnerte sich später Vadim Orlov, der Funkoffizier der U-59. Um 17 Uhr Ortszeit wurden die ersten vier bis fünf Übungsbomben auf das U-Boot abgeworfen. Dann in schneller Folge weitere. Gary Slaugther, Funkoffizier auf einem der US-Zerstörer, wird später in einer US-Dokumentation sagen: »Wir wollten sie nicht umbringen, wir wollten sie schikanieren, wir versuchten, sie passiv zu foltern.«

Unter Wasser war die Situation beängstigend. Die Batterien gingen zur Neige. »Nur die Notbeleuchtung funktionierte und es war unglaublich stickig«, berichtete Orlov später. Die Wochen der körperlichen und psychischen Anspannung forderten ihren Tribut. »Einer der Wachoffiziere fiel in Ohnmacht, dann der nächste, dann ein dritter (…) sie fielen wie die Dominosteine.« Stundenlang litten die Männer. Ein Auftauchen kam nicht in Frage, denn dies hätte gegen den Befehl der Geheimhaltung ihrer Mission verstoßen. Mehr als eine Konfrontation mit der US-Marine schien man die eigenen Militärgerichte zu fürchten.

In dieser Situation gab Kapitän Sawizki den Befehl zum Abfeuern der Atomrakete. »Der Kommandant kommt gleich nach Gott«, soll einer der anderen Kapitäne gesagt haben, »so sind die Regeln auf einem U-Boot«. Sein Befehl wäre ausgeführt worden, hätte sich auf der U-59 nicht Wassili Alexandrowitsch Archipow, Stabschef und Kommandant des Flottenverbands, durchgesetzt. Während Sawizki und ein weiterer ebenfalls stimmberechtigter Offizier für den Abschuss plädierten, legte der 36-jährige, erfahrene U-Bootkommandant Einspruch ein. Niemand wusste, ob bereits ein Krieg ausgebrochen war. Doch Archipow veranlasste Sawizki, die U-59 auftauchen zu lassen.

Keine gezielten Angriffe der US-Marine

Als sie gegen 21 Uhr auf den Kommandoturm des U-Boots stiegen, um zum ersten Mal nach Tagen zu sehen, was an der Wasseroberfläche vor sich ging, wurden die beiden Kommandanten von niedrig fliegenden Marineflugzeugen in etwa 20 bis 30 Metern Höhe und Hubschraubern mit hellen Suchscheinwerfern empfangen. Auch Schüsse sollen gefallen sein, wie Archipow 1997 in der einzigen bekannten öffentlichen Äußerung zu dem Vorfall erklärte. Dabei handelte es sich vermutlich um Phosphorbrandsätze, die die Jagdflugzeuge abwarfen, um die photoelektrischen Kameralinsen zu aktivieren.

Nach Aussagen eines weiteren U-Bootfahrers musste Archipow in diesem Moment Sawizki erneut davon abhalten, den Befehl zum Angriff zu geben. Da der Signaloffizier, der die Lichtzeichen geben sollte, mit seiner Ausrüstung die enge Treppe des Kommandoturms versperrte, konnte Sawizki nicht sofort hinunter und Archipow hatte einige Sekunden mehr Zeit zu erkennen, dass es sich bei den Aktionen der US-Marine um keine gezielten Angriffe handelte. Er verhinderte damit sehr wahrscheinlich einen Welt- und Atomkrieg. Archipow erklärte später lapidar: »Der Kommandant war physisch nicht in der Lage, Befehle zu geben, er konnte nicht einmal verstehen, was passierte.«

Sawizki forderte kurz darauf per Lichtsignal die Einstellung aller Provokationen von seinen Verfolgern. Doch das U-Boot wurde weiter intensiv von der US-Navy fotografiert. Im Morgengrauen spielte eine Jazz-Band auf einem der US-Zerstörer und fuhr dabei bedrohlich nah an das sowjetische U-Boot heran. Die Besatzung soll Coladosen und Zigarettenschachteln hinübergeworfen haben. Es muss demütigend für die abgekämpften sowjetischen Matrosen gewesen sein. Am darauf folgenden Tag tauchte die U-59 wieder ab. US-Präsident Kennedy und Kremlchef Nikita Chruschtschow hatten die Krise mit einem geheimen Raketentausch und dem US-Verzicht auf eine Invasion Kubas diplomatisch beendet. Von den vier U-Booten war nur ein einziges der Hetzjagd der US-Navy entkommen. Doch auf keinem anderen hatte sich die Situation so extrem zugespitzt wie auf der U-59.

»Am 27. Oktober 1962 wurde ein dritter Weltkrieg abgewendet. Jetzt, 60 Jahre später, steht die Welt erneut am Abgrund einer nuklearen Katastrophe auf Leben und Tod«Elena Andryukova, Tochter von U-Boot-Kommandant Wassili Archipow

»Am 27. Oktober 1962 wurde ein dritter Weltkrieg abgewendet«, schreibt Archipows Tochter, Elena Andryukova, im Jahr 2022 auf persönliche Anfrage in einer E-Mail. »Jetzt, 60 Jahre später, steht die Welt erneut am Abgrund einer nuklearen Katastrophe auf Leben und Tod.« Wassili Alexandrowitsch Archipow starb 1998, vermutlich an den Spätfolgen eines Strahlungsunfalls auf einem der ersten sowjetischen Atom-U-Boote. Zu Lebzeiten wurden er und die Besatzung der U-59 nicht wie Helden gefeiert. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde seine mutige Tat öffentlich.

Elena Andryukova durfte schon mehrere posthume Ehrungen für ihren Vater entgegennehmen. Sie ist davon überzeugt, »dass der gesunde Menschenverstand und die Vernunft aller Politiker an der Macht über den Einsatz von Atomwaffen und über die verheerenden Folgen einer nuklearen Katastrophe siegen werden«.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war davon die Rede, dass ein sowjetisches Flugabwehrgeschütz eine amerikanische U2 getroffen habe, es war jedoch eine Flugabwehrrakete. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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