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Lernen: Küken brauchen Passwort für Futter

Prachtstaffelschwanz

Nachdem sie schlüpfen, verbringen Prachtstaffelschwanzküken bis zu fünf Wochen im heimischen Nest. Wollen sie von ihrer Mutter gefüttert werden, sollten sie jedoch tunlichst das richtige Passwort zwitschern. Denn Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass Muttertiere ihrem Nachwuchs noch vor der Geburt einen spezifischen Ton lehren, indem sie die bebrüteten Eier besingen. Die Nestlinge nehmen den Kode auf und zwitschern ihn, wenn sie nach Futter rufen. Geben sie nicht den richtigen Ton von sich, bekommen sie nichts: falsches Passwort – kein Futter.

Prachtstaffelschwanz

Diese Form des vorgeburtlichen Lernens dient den Prachtstaffelschwänzen (Malurus cyaneus) offenbar dazu, zwischen ihrem eigenen Nachkommen und Rotschwanzkuckucken (Chalcites basalis) zu unterscheiden, die ihre Eier häufig in fremde Nester legen, um die eigenen Küken ausbrüten zu lassen. Tests haben nun gezeigt, dass Staffelschwänze ihre Nestlinge tatsächlich nur dann mit Futter versorgen, wenn die Rufe der Küken dem erlernten Passwort entsprechen – anderenfalls geben sie ihr Nest auf.

Eigentlich wollten die Forscher um Sonia Kleindorfer von der Flinders University in Adelaide die Alarmrufe untersuchen, die Prachtstaffelschwänze im Angesicht von Nesträubern von sich geben – doch dann entdeckten sie zufällig, wie Muttertiere ihre bebrüteten Eier besingen. Weitere Betrachtungen offenbarten schließlich, dass sich die eintönigen Rufe von einem Nest zum anderen unterscheiden. Zudem erkannten sie, dass die Töne stark denen ähneln, die ihre Küken von sich geben, wenn sie nach Futter rufen.

Unerwünschter Gast: Rotschwanzkuckuck

Um auszuschließen, dass die Eltern ihren Nachwuchs nicht anhand anderer Merkmale erkennen, tauschten Kleindorfer und ihr Team die Gelege von verschiedenen Nestern gegeneinander aus. Dabei zeigte sich, dass die Nestlinge nach dem Schlüpfen den Gesang ihrer Pflegemütter und nicht ihrer biologischen Mütter nachzwitscherten. In einem weiteren Versuch konnten die Forscher die Staffelschwänze davon abhalten, ihren Nachwuchs zu füttern, indem sie einen Lautsprecher unter dem Nest platzierten, der falsche Rufe abspielte. Die Brut scheint die Töne demnach nicht genetisch vermacht zu bekommen, sondern zu lernen – noch bevor sie schlüpft.

Die Ergebnisse von Kleindorfer und ihrem Team bekräftigen, dass auch scheinbar angeborene Eigenschaften durchaus einem Lernprozess zugrunde liegen können. Einige Wissenschaftler vermuten Formen des so genannten pränatalen Lernens auch beim Menschen: Bereits 1986 führten Forscher einen Versuch durch, bei dem Schwangere während der letzten sechseinhalb Schwangerschaftswochen zwei Mal täglich laut eine Reimgeschichte vorlasen. Wenige Tage nach der Geburt koppelten sie speziell präparierte Sauger mit Kopfhörern, so dass der Säugling anhand seiner Nuckelfrequenz entscheiden konnte, ob er lieber die bekannte oder eine unbekannte Geschichte hören will. Das Ergebnis: Die Neugeborenen wählten deutlich häufiger die Saugrate, die dazu führte, dass sie die bekannte Geschichte hören.

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  • Quellen
Current Biology 22, 1, 2012

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