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Kündigung: Nicht immer ist der Chef schuld

Stress durch Überarbeitung ist der wichtigste Grund dafür, dass jemand sein Unternehmen verlässt. Und mancher wahre Kündigungsgrund wird gern verschwiegen.
Eine Sanduhr aus Glas vor einem schwarzen Hintergrund symbolisiert Zeitdruck und Arbeitsbelastung
Zeitdruck und Arbeitsverdichtung belasten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Weshalb kündigen Menschen ihren Job? Ein Team um die Arbeitspsychologin Sabine Hommelhoff von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat sich in drei unterschiedlichen Studien die Gründe dafür genauer angesehen.

In einer Übersichtsarbeit werteten die Wissenschaftler 78 Studien aus Nordamerika und Europa mit Daten von über 800 000 Beschäftigten aus. Außerdem befragten sie rund 200 Berufstätige anonym und analysierten mehr als 300 Austrittsgespräche zwischen der Personalabteilung und Beschäftigten, die das Unternehmen auf eigenen Wunsch verließen. Bei ihrer Analyse der Kündigungsgründe unterschieden die Forscher zwischen Annährungs- und Vermeidungsmotiven. Möchte jemand durch den Wechsel seine Situation verbessern und strebt nach einer besseren Zukunft? Oder liegt der Fokus darauf, aktuelle Probleme wie etwa Stress, eine schlechte Work-Life-Balance oder Schikanen zu umgehen?

Überlastung und Stress führen zum Bruch

Das Ergebnis der Literaturrecherche: Am häufigsten nannten Beschäftigte Überarbeitung und den dadurch entstandenen Stress als Grund für ihre Kündigung. An zweiter Stelle kam der Wunsch nach besseren Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Am dritthäufigsten wurden Probleme mit Vorgesetzten genannt. Darunter fiel zum Beispiel Kritik an schlechten Führungsqualitäten.

Ein Viertel der Gründe wird verschwiegen

Die Motive für eine Kündigung sind oft vielschichtig. In der anonymen Onlinebefragung nannten die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur einen, sondern drei oder vier Gründe für die berufliche Veränderung. Allerdings geben Mitarbeitende nicht unbedingt alle wahren Beweggründe preis. So räumten sie anonym ein, dem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber nicht alle Gründe offenbart zu haben. »Im Schnitt wurde ein Viertel der Gründe verschwiegen«, sagt Sabine Hommelhoff in einer Pressemitteilung. Das deckt sich mit der Auswertung der Austrittsgespräche, in denen Beschäftigte vor allem die Vorteile des neuen Jobs betonen und sich selten über Chefs beschweren.

Arbeitsverdichtung und Zeitdruck machen offenbar vielen Beschäftigten zu schaffen. Dabei weiß man aus der psychologischen Forschung, dass Menschen besonders produktiv arbeiten und in einen so genannten Flow-Zustand gelangen, wenn sie weder unterfordert noch überfordert sind.

Stress reduzieren, Entwicklungschancen ermöglichen

Für die Psychologin Sabine Hommelhoff lassen sich aus ihrer Studie wichtige Erkenntnisse für die Praxis ableiten: »Arbeitgeber sollten Arbeitsbedingungen möglichst so gestalten, dass Stress durch Überlastung vermieden wird. Zudem sollten sie darauf achten, dass Beschäftigte sich weiterentwickeln können. Wer diese beiden Aspekte im Auge behält, packt schon mal die beiden wichtigsten Kündigungsgründe bei der Wurzel.« Wer seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann noch wertschätzend behandelt, kann darauf hoffen, noch lange mit ihnen zusammenarbeiten zu können.

  • Quellen
Journal of Vocational Behavior10.1016/j.jvb.2025.104099, 2025

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