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News: Künstliche Perlen im Proteinstrang

Bakterien, die Proteine aus künstlichen Aminosäuren aufbauen? Es gibt sie. Erstmalig gelang es Wissenschaftlern, den genetischen Code von Escherichia coli zu erweitern und die dafür notwendigen molekularen Werkzeuge in die lebenden Zellen einzuschleusen. Damit könnte die Kreation von Wunschproteinen mit bestimmten Eigenschaften und Funktionen bald Wirklichkeit werden.
Aus nur 20 verschiedenen Aminosäuren setzen sich die Proteine des Lebens zusammen, so bestimmt es der genetische Code. Chemiker können aber mittlerweile hunderte von veränderten Bausteinen synthetisieren. Wenn es gelänge, diese synthetischen Aminosäuren im lebenden Organismus einzubauen, könnten Proteine mit ganz speziellen neuen Eigenschaften und Funktionen entstehen.

Damit die einzelnen Aminosäuren in einer ganz bestimmten Kombination zu einem Protein zusammengebaut werden können, transportiert sie ein molekulares Transportschiff – die transfer-RNA (tRNA) – zu den Ribosomen. Erst an diesen Zellorganellen werden die Aminosäuren wie Perlen einer Kette aneinander gereiht. Die Werkzeuge, mit deren Hilfe die Aminosäuren mit ihren zugehörigen tRNAs verbunden werden – die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen – erkennen bisher jedoch nur die 20 natürlichen Aminosäuren als Bausteine. Soll die Zelle eine fremde Aminosäure beim Proteinaufbau integrieren, braucht sie sowohl eine anders geeichte tRNA als auch tRNA-Synthetase.

Amerikanischen Wissenschaftlern vom Scripps Research Institute in La Jolla gelang es nun, ein tRNA/Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Paar aus einem Archaebacterium in das Bakterium Escherichia coli zu übertragen. Zusätzlich veränderten die Forscher unter der Leitung von Peter Schultz den genetischen Code ihres Versuchsorganismus. Entsprechend des genetischen Befehls stellte die neue tRNA eine unnatürliche Aminosäure an den Ribosomen bereit. Anschließend manipulierten sie die neue tRNA-Synthetase, sodass sie sich ebenso selektiv nur diesen Baustein griff. Ohne sich von den natürlichen Aminosäuren irritieren zu lassen, verknüpfte das Enzym nun die künstliche Aminosäure mit "ihrer" tRNA. Zu fast 100 Prozent entstand als Produkt der Teamarbeit zielgerecht das von den Forschern geplante Protein mit genau positionierter Aminosäure.

Eine andere Richtung schlug das Team von Paul Schimmel vom Scripps Research Institute ein: Etwa die Hälfte aller Aminoacyl-tRNA-Synthetasen kontrolliert gleich doppelt, ob auch wirklich die richtige Aminosäure an die richtige tRNA geknüpft wird. Eine falsche Aminosäure wird wieder abgeknipst, damit der Platz für den geforderten Baustein wieder frei ist. Durch Mutation des entsprechenden Genabschnitts veränderten Schimmel und seine Kollegen diese Kontrollfunktionen, sodass auch eine unnatürliche Aminosäure akzeptiert wurde. "Wir waren überrascht, wie einfach sich die Kontrollfunktionen außer Kraft setzen ließen", äußerte sich Schimmel zu seinen Forschungsergebnissen.

Neuen Biomaterialien auf der Basis von Proteinen, wie zum Beispiel Collagenen oder Gelatine, steht der Markt offen. Auch die pharmazeutische Industrie hofft durch die neue Methode auf stabilere, innovative Medikamente. Das Interesse an maßgeschneiderten Proteinen ist immens. "Warum gibt es nur 20 Aminosäuren in unseren Proteinen?" fragt sich Schultz. "Wie würde das Leben aussehen, wenn Gott am siebten Tage weiter gearbeitet und ein paar mehr gemacht hätte?"

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  • Quellen
Science 292(5516): 498–501 (2001)
Science 292(5516): 501–504 (2001)

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