Exzessives Verhalten: Kann das Solarium süchtig machen?

Lange war es umstritten, ob außer Substanzen wie Alkohol und anderen Drogen auch bestimmte Verhaltensweisen abhängig machen können. Mittlerweile sind sich Forscherinnen und Forscher jedoch weitgehend einig, dass so genannte Verhaltenssüchte existieren und Parallelen zu klassischen Abhängigkeitserkrankungen aufweisen. Insbesondere die Glücksspielsucht und die Computerspielsucht haben es bereits in internationale Diagnosesysteme geschafft.
Wissenschaftler aus den USA bringen nun eine neue mögliche Variante ins Spiel: die exzessive Solariumnutzung. Das Team um Allison Leip von der University of Kentucky in Lexington befragte 280 Frauen, die im Schnitt 27 Jahre alt waren und in den zwölf Monaten vor der Erhebung durchschnittlich 40-mal ein Sonnenstudio genutzt hatten.
Zur Einschätzung möglicher Suchtmerkmale nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Kurzfragebogen, der suchtähnliche Symptome abfragt, etwa eine starke gedankliche Vereinnahmung durch das Thema (»Ich denke viel zu oft ans Solarium«) oder gescheiterte Versuche, das Verhalten zu reduzieren (»Ich kann dem Drang, mich zu bräunen, nur schwer widerstehen«). Bei rund 40 Prozent der Befragten sprach das Ergebnis für eine mögliche Verhaltenssucht. Diese Frauen berichteten zum Beispiel häufiger von Schuldgefühlen wegen des Solariumbesuchs, Streit mit Angehörigen oder verpassten Arbeits- oder Uniterminen. Auch Versuche, das Verhalten einzuschränken, schlugen bei ihnen öfter fehl.
Erschwerend kommt laut Leip und ihrem Team hinzu, dass das UV-Licht im Solarium offenbar direkt das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Frühere Studien zeigen, dass durch diese Art der Bestrahlung Endorphine ausgeschüttet werden. Das könnte erklären, warum ein Unterbrechen des Verhaltens zu Entzugssymptomen wie Unruhe oder Reizbarkeit führen kann.
Offiziell anerkannt ist die »Solariumsucht« damit noch lange nicht. Das Konzept sollte nach Meinung der Autorinnen jedoch ernst genommen und eine exzessive UV-Exposition nicht allein als »Eitelkeit« oder »Lifestyle-Thema« abgetan werden. Therapeutinnen und Therapeuten täten gut daran, auffälliges Verhalten in diesem Bereich systematisch zu erfragen, insbesondere bei jungen Frauen. Allerdings zeige die Studie auch, dass viele Betroffene gar keine Veränderung anstreben – sich aber immerhin offen für Informationen über mögliche Risiken zeigen. Ob sich die Befunde auf Männer oder andere Alters- und Bevölkerungsgruppen übertragen lassen, ist noch unklar.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.