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News: Kuiper trifft Olbers

Im Kuiper-Gürtel jenseits von Neptun und Pluto kreist das, was bei der Entstehung des Sonnensystems übrig blieb. Die Abschätzungen zur Größenverteilung der Partikel, vom kilometergroßen Brocken bis hin zum Staubkörnchen, basieren auf Beobachtungen der sichtbaren Stein- und Eisfragmente. Demnach gäbe es allerdings derart viele kleine Teilchen, dass reflektiertes Sonnenlicht unsere Nacht zum Tag machte.
Warum wird es nachts dunkel? Weil sich die Erde um die eigene Achse dreht, und die von der Sonne abgewandte Seite im Erdschatten liegt? Was auf den ersten Blick augenscheinlich ist, lässt sich vielleicht durch folgende Analogie erschüttern: Wer in einem Wald steht - selbst wenn er nur ein Wäldchen ist - kann vor lauter Bäumen vielleicht gerade einmal 100 Meter weit blicken. Und genau das müsste auch für den Sternenhimmel gelten. In einem unendlichen Universum sollte sich eigentlich an jeder Stelle des Firmaments ein Stern befinden und der nächtliche Himmel deshalb strahlend hell erleuchtet sein. Er ist es aber nicht.

Auch den Bremer Arzt und Astronom Heinrich Wilhelm Matthias Olbers (1758-1840) beschäftigte 1826 diese Frage, die über 200 Jahre später als Olberssches Paradoxon bezeichnet wurde. Heute wissen wir, dass das Weltall weder unendlich alt noch unendlich groß ist, und dass das Licht vieler Sterne noch gar keine Zeit hatte, bis zur Erde zu gelangen. Dennoch, das Olberssche Paradoxon erweist sich bis heute als überaus nützlich, schließlich kann auch die Tatsache, dass etwas nicht ist, eines Rätsels Lösung sein.

Dabei gingen die Blicke von Scott Kenyon vom Smithsonian Astrophysical Observatory und Rogier Windhorst vom Department of Physics and Astronomy der Arizona State University noch nicht einmal über unser eigenes Sonnensystem hinaus. Denn jenseits der Umlaufbahnen von Neptun und Pluto, wo sich eine Ansammlung unzähliger Kometen befindet, stießen sie auf ein Problem, das sie als "lokales Olberssches Paradoxon" bezeichneten. Dieser Kuiper-Gürtel - benannt nach dem niederländischen Astronom Gerard Peter Kuiper (1905-1973) -  besteht aus mindestens 70 000 Stein- und Eisbrocken mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser - und unzähligen kleineren Partikeln bis hin zu Staubkorngröße (Astrophysical Journal Rapid Release vom 17. Januar 2001).

Und genau hier liegt das Problem. Aus den sichtbaren Objekten im Kuiper-Gürtel weiß man, dass die Zahl der Fragmente umso größer ist, je kleiner ihr Durchmesser - genauso wie bei einem zerschlagenen Ziegelstein, bei dem ein paar große Brocken und zahllose Staubpartikel bleiben. Aus dieser hypothetischen Größenverteilung müsste es im Kuiper-Gürtel derart viel Feinmaterial geben, dass unser Nachthimmel durch das reflektierte Sonnenlicht beinahe taghell strahlen würde.

Und genau wie beim Sternenhimmel des Wilhelm Olbers, liegt auch hier des Rätsels Lösung in dem Fehlen der an sich logischen Konsequenz. Für Kenyon und Windhorst ist deshalb klipp und klar, dass die bisher angenommene Größenverteilung im Kuiper-Gürtel nicht stimmen kann. Messungen der Infrarotstrahlung, die infolge der Erwärmung durch die Sonne reflektiert wird, stärken ihre Ansicht. Das geringe Maß der Rückstrahlung beweist, dass es im Kuiper-Gürtel viel weniger staubig zugeht als bisher angenommen.

Daraus ergeben sich interessante Erkenntnisse über den Kuiper-Gürtel, in dem die übrig gebliebenen Reste unseres Sonnensystems kreisen. Auf dieser überfüllten Umlaufbahn kommt es naturgemäß ständig zu Kollisionen. Sind die Brocken größer als etwa ein Kilometer im Durchmesser, verfügen sie schon über eine ausreichend hohe Schwerkraft, um kleinere Fragmente anzuziehen und so allmählich anzuwachsen. Unterhalb dieser kritischen Masse hat die Kollision zweier Objekte eher das Zerbrechen in kleinere Bruchstücke zur Folge. Alles in allem führt dieser Mechanismus wohl dazu, dass die Zahl der massereichen Anteile überproportional hoch ist. Nur die lassen sich aber von der Erde aus beobachten und verleiteten die Forscher zur Abschätzung der feinkörnigen Fraktionen.

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