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Transneptun: Lauert hinter dem Neptun ein weiterer Zwergplanet?

Weit jenseits der Umlaufbahn des äußersten Planeten Neptun wurde im Kuipergürtel ein rund 700 Kilometer großes Objekt gefunden: ein Kandidat für einen Zwergplaneten. Dieser stellt die These eines hypothetischen neunten Planeten in Frage.
Künstlerische Darstellung des Zwergplaneten Eris
Möglicher Zwergplanet: Das Objekt 2017 OF201 könnte annähernd kugelförmig sein (Illustration).

Weit jenseits der Umlaufbahn des äußersten Planeten Neptun, dort wo die Sonne nur noch als der hellste Stern am Himmel scheint, umrundet das neu entdeckte Kuipergürtelobjekt 2017 OF201 unser Zentralgestirn auf einer stark elliptischen Bahn. Es wurde von einem Team um Sihao Cheng an der Princeton University in Archivdaten des Dark Energy Survey (DES) gefunden, das primär nach Dunkler Energie und Dunkler Materie in den Tiefen des Kosmos sucht. Aber mit den Daten lassen sich auch Objekte aufspüren, die uns viel näher sind. Das Team untersuchte die zwischen 2014 und 2018 gesammelten Daten nach sich gegenüber dem Himmelshintergrund bewegenden Objekten und wurde in dieser Zeitspanne zehnmal fündig. Ein Vergleich mit den Archivdaten anderer Teleskope förderte weitere Sichtungen in den Jahren 2011 und 2012 zu Tage.

Nach dem derzeitigen Stand der Bahnbestimmung und der Charakterisierung des Himmelskörpers, der zuerst in Daten aus dem Jahr 2017 entdeckt wurde, umkreist das Objekt einmal in 24 256 Jahren auf einer stark elliptischen Bahn die Sonne, die Exzentrizität beträgt e = 0,946. Derzeit ist der Himmelskörper 90 Astronomischen Einheiten (AE) von der Sonne entfernt (also dem 90-fachen Abstand, den die Erde zur Sonne hat) und distanziert sich vom Zentralgestirn. 2017 OF201 kann bis auf 45 AE an die Sonne herankommen und sich bis zu 1631 AE von ihr entfernen. Damit gehört es zu den extremen transneptunischen Objekten (ETNO), sein Orbit ist um 16,2 Grad gegenüber der Erdbahnebene geneigt.

Die Bahn von 2017 OF201 hat Konsequenzen für den hypothetischen Planeten X oder 9, dessen Existenz aus den Bahnen anderer extremer Transneptunobjekte abgeleitet wird, bislang aber nicht entdeckt wurde. Fügt man zu diesen Bahnen den neu entdeckten Himmelskörper hinzu, würde dieser von der Schwerkraft des etwa fünf Erdmassen schweren Planeten X innerhalb von nur 100 Millionen Jahren aus dem Sonnensystem hinausgeworfen werden. Somit stellt die Existenz von 2017 OF201 ein großes Problem für die These eines weiteren großen Planeten im Sonnensystem dar.

Die Bahn des Transneptunobjekts 2017 OF201 | Die Bahn des neu entdeckten Himmelskörpers 2017 OF201 (rot) unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Lage im Sonnensystem deutlich von denjenigen der anderen extremen Transneptunobjekte. Die schwarze Bahn gibt den Orbit des hypothetischen Planeten X wieder, dessen Existenz aber nicht gesichert ist. Der schwarze Stern in der Bildmitte verdeutlicht die Position der Sonne, der Maßstabsbalken gibt eine Distanz von 500 Astronomischen Einheiten an, das entspricht der 500-fachen Distanz von der Erde zur Sonne.

Unter der Annahme, dass 2017 OF201 etwa 15 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts reflektiert, berechnet das Team einen wahrscheinlichen Durchmesser von 700 Kilometern. Damit ist dieser Himmelskörper seit dem Jahr 2014 das größte neu entdeckte transneptunische Objekt und könnte ein Kandidat für einen weiteren Zwergplaneten sein. Es ist groß genug, um sich unter seiner eigenen Schwerkraft annähernd zu einer Kugel zu verformen, wenn es wie andere Transneptunobjekte weitgehend aus Wassereis besteht. Eine annähernd sphärische Form ist eines der Kriterien für die Einstufung als Zwergplanet. Allerdings hat die Internationale Astronomische Union bislang nur fünf Himmelskörper im Sonnensystem offiziell als Zwergplaneten anerkannt, es sind Ceres, Pluto, Eris, Haumea und Makemake. Aber derzeit sind rund 100 weitere Objekte bekannt, die sich als Zwergplaneten einstufen ließen.

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