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Ästhetische Erfahrungen : Kunst lässt uns weiter denken

Wenn wir uns auf Schönheit einlassen, sehen wir das große Ganze klarer. Diese Fähigkeit zur Abstraktion kann vom Zweckdenken des Alltags befreien.
Eine Person steht vor einem großen Gemälde in einem Museum. Das Gemälde zeigt einen Regenbogen auf grauem Hintergrund und ist in einem goldenen Rahmen eingefasst. Die Person betrachtet das Kunstwerk aufmerksam.
Wer sich kurz mal rauszoomen will, geht am besten ins Museum.

Kunst kann den Horizont erweitern. Wer ihre Schönheit auf sich wirken lässt, denkt anschließend messbar abstrakter, wie eine im Fachblatt »Empirical Studies of the Arts« erschienene Studie zeigt.

Ein Team um die Philosophin Elzė Sigutė Mikalonytė von der University of Cambridge ließ dafür knapp 200 Testpersonen eine moderne Galerie besuchen. Dort waren Werke der Keramikkünstlerin Lucie Rie ausgestellt, darunter Vasen, Schalen, Kessel und Teeservice. Die Hälfte der Probanden sollte auf einer Skala von eins bis sieben bewerten, wie schön sie jedes einzelne Exponat fanden. Diese Gruppe konzentrierte sich also auf die Ästhetik. Die andere Hälfte diente als Vergleich und ordnete die Exponate beim Rundgang durch das Museum lediglich vorgefertigten Zeichnungen zu.

Jene, die sich auf die Schönheit der Töpferwerke einlassen durften, beschrieben im Gegensatz zu den anderen in einem anschließenden Test alltägliche Handlungen eher in abstrakten Begriffen – ein klassisches Maß für »big picture thinking«: Heißt »einen Brief schreiben«, Buchstaben zu Papier zu bringen oder seine Gedanken mit jemandem zu teilen? Bedeutet »wählen«, ein Kreuzchen auf einem Stimmzettel zu machen oder die politische Zukunft zu beeinflussen? Beide Möglichkeiten sind jeweils richtig, doch die erste Variante offenbart ein praktisches Mindset, die zweite hingegen ein abstraktes Gespür für tiefere Bedeutung. Besonders weitete sich der Blick bei jenen, die selbst eine künstlerische Ader hatten, zum Beispiel malten oder zeichneten.

Die Gruppe, die die Schönheit auf sich wirken gelassen hatte, berichtete außerdem häufiger von selbsttranszendenten Emotionen – etwa Bewunderung, Staunen oder dem Eindruck, Teil von etwas Größerem zu sein. Allerdings: In puncto Glücksgefühle unterschieden sich die Gruppen nicht. Mikalonytė und ihre Kollegen sehen darin einen Beleg dafür, dass es tatsächlich die aktive Auseinandersetzung mit Schönheit war, die das abstrakte Denken gefördert hatte, und nicht ein allgemeines Hochgefühl durch das Erlebnis.

  • Quellen
Empirical Studies of the Arts 10.1177/02762374251337699, 2025

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