Organische Elektronik: Kunststoff-Neuron kommt biologischer Nervenzelle nahe

Ertasten unsere Finger etwas, werden die Nervenzellen in ihnen aktiv. Sie nehmen den Reiz wahr und verarbeiten und kommunizieren ihn. Gesteuert werden diese Prozesse durch Ionen, die elektrische Impulse erzeugen – sogenannte Aktionspotenziale. Seit Längerem forschen Wissenschaftler an bioelektrischen Systemen, die Reize ebenso präzise erfassen und verarbeiten können wie das biologische Vorbild.
Die bislang entwickelten künstlichen Neuronen bestanden allerdings häufig aus siliziumbasierter Elektronik. Damit trieben die Forschenden zwar das Feld der neuromorphen Datenverarbeitung voran, doch biokompatibel war diese Art von Neuronen nicht. Dazu kommt, dass sich auch ihre Funktionsweise von biologischen Neuronen unterscheidet – ein weiterer Grund, warum sie sich nur schwer in biologisches Gewebe integrieren lassen.
Ein Forschungsteam der schwedischen Universität Linköping hat ein künstliches Neuron vorgestellt, das der biologischen Nervenzelle in Form und Funktion nahekommt. Es besteht aus einem weichen und flexiblen Material aus konjugierten Polymeren, das neben Elektronen auch Ionen transportieren kann. Dank dieser doppelten Fähigkeit lässt sich das künstliche Neuron besser mit biologischen Systemen verbinden.
Grundlage dafür ist eine Entwicklung aus dem Jahr 2023. Damals schuf dasselbe Forschungsteam bereits synthetische Nervenzellen, die 15 von 22 Schlüsseleigenschaften von biologischen Neuronen abbilden können. Dazu gehören etwa das Erzeugen von Aktionspotenzialen, von dynamischen elektronischen Impulsen (Spikes) und von neuromorpher Logik. Allerdings waren diese Nervenzellen auf zusätzliche Schaltkreise aus Widerständen, Kondensatoren und Verstärkern angewiesen, was ihre praktische Anwendung einschränkte.
Nun ist es dem Team gelungen, die künstliche Nervenzelle auf einen einzigen organischen elektrochemischen Transistor zu reduzieren, der sogar 17 neuronale Eigenschaften reproduziert. Das künstliche Neuron ist mit gerade einmal 180 Mikrometern in etwa so groß wie eine menschliche Nervenzelle. Es reagiert auf chemische und elektrische Reize. Im Zusammenspiel mit resistiven Drucksensoren kann es mechanische Reize in eine Art neuromorphe Impulsfolgen umwandeln, wie es typisch für unseren Tastsinn ist.
»Dies ist eines der einfachsten und biologisch relevantesten künstlichen Neuronen, die bisher hergestellt wurden«, ist Simone Fabiano von der Universität Linköping überzeugt. »Es öffnet die Tür zur direkten Integration synthetischer Neuronen in lebendes Gewebe oder Softroboter.« Als mögliche Anwendungen sehen Fabiano und sein Team eine neue Generation Sensoren, die in den Körper integriert sind, sowie Prothesen und Roboter mit verbessertem Tastsinn.
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