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Kupferzeit: Bulgarischer Löwe zerkaute jungen Bulgaren

Ein kupferzeitliches Skelett zeigt schwere Verletzungen, die von einer Raubkatze stammten. Der Mann überlebte. Sein Grab offenbart erstaunliche medizinische Fähigkeiten.
Ein Löwe mit einer prächtigen Mähne steht im Vordergrund und brüllt, wobei seine Zähne und Zunge deutlich sichtbar sind. Der Hintergrund ist unscharf und zeigt eine grasbewachsene Landschaft.
Ein derartiges Gebiss sah vor mehreren tausend Jahren auch ein junger Mann im heutigen Bulgarien. Wundersamerweise überlebte er den Angriff.

Vor rund 6000 Jahren begegnete ein junger Mann im Osten des heutigen Bulgariens einer gefährlichen Raubkatze: Er wurde von einem Löwen angegriffen und schwer verletzt. Doch er überlebte die Attacke nicht nur, sondern erholte sich zumindest zeitweise, wie die Untersuchung seines Skeletts durch Nadezhda Karastoyanova von der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und ihrer Arbeitsgruppe bezeugt. Und nicht nur das, denn in der Grabstätte des Mannes fanden die Archäologen noch weitere Skelette, die für die damaligen Verhältnisse bereits gute medizinische Kenntnisse in der kupferzeitlichen Gemeinschaft andeuten.

Entdeckt wurden die Überreste in einer großen Begräbnisstätte bei Kozareva Mogila, die zwischen 4600 und 4200 v. Chr. angelegt wurde. Darin lag auch das Skelett des Mannes, der zwischen 18 und 25 Jahre alt war, als er starb, mit schweren Verletzungen am Schädel, an den Armen und Beinen. Die Wunden deuteten Bisse eines großen Raubtieres an, weshalb Karastoyanovas Team sie mit den Zahnabdrücken verschiedener Fleischfresser verglich, die damals in der Region gelebt haben könnten. Die deutlichste Übereinstimmung zeigte sich mit dem Gebiss eines ausgewachsenen Löwen, dessen obere Zahnreihe fast perfekt zum Bissmuster passte.

Der Mann wurde von der Raubkatze also angegriffen, niedergestreckt und anschließend mehrfach gebissen, bevor er wundersamerweise entkam oder von seiner Gemeinschaft aus den Fängen des Löwen befreit wurde. Für sein Überleben bezahlte er jedoch einen hohen Preis, wie die Wissenschaftler an dem Skelett ablesen konnten: Im Schädel klaffte ein großes Loch bis zum Gehirn, weshalb schwere neurologische Schäden nicht ausgeschlossen werden können. Und die Wunden an Beinen und Armen sorgten wahrscheinlich für stark eingeschränktes Gehen oder Greifen, was den Mann im Alltag stark behindert haben dürfte.

Dennoch überlebte er für geraume Zeit, da seine Knochen deutliche Zeichen eines Heilungsprozesses aufwiesen, der sich über mehrere Monate hingezogen haben dürfte. Dies gelang dank der Pflege seiner Gemeinschaft, in der bereits medizinischer Sachverstand vorhanden war: Weitere Skelette aus der Grabstätte deuten an, dass die Menschen am Schädel operiert worden waren, bevor sie starben. Hinweise auf derartige Eingriffe gibt es auch aus anderen Regionen Europas, darunter ist ein Fund aus Spanien, der auf die Zeit vor etwa 5300 Jahren datiert.

Bleibt die Frage, was ein Löwe zu der Zeit in Europa zu suchen hatte. Tatsächlich reichte das Verbreitungsgebiet der Großkatzen damals bis auf den Balkan. Wahrscheinlich starben Löwen sogar erst während der Zeit des Römischen Reiches aus, als sie unter anderem für Gladiatorenkämpfe gefangen wurden. In Griechenland könnten sie bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. überdauert haben.

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  • Quellen
Karastoyanova, N. et al., Journal of Archaeological Science: Reports 10.1016/j.jasrep.2025.105526, 2025

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