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Genomik: Kurioses Hybridvirus stellt Forscher vor Rätsel

Porcine circovirus

Forscher haben eine bisher als unmöglich geltende Mischung aus RNA-Virus und DNA-Virus gefunden. Das Team um Kenneth Stedman von der Portland State University entdeckte die kuriose Chimäre in einer heißen Quelle im Bundesstaat Kalifornien. Der Organismus gehört zu den Circoviren, die eine einzelsträngige ringförmige DNA besitzen. Ein Gen für ein Eiweiß der Virushülle – ein Capsidprotein – stammt jedoch anscheinend von reinen RNA-Viren. Die Fortpflanzungswege der beiden Virentypen unterscheiden sich grundsätzlich, deswegen ist bisher kein Mechanismus für diese Form der Übertragung bekannt.

Die Forscher entdeckten das Virus bei der Metagenom-Analyse von DNA aus einer Wasserprobe der heißen Quelle, in der sie hunderttausende virale Gensequenzen analysierten und zuordneten. In dieser Sammlung entdeckten sie das Gen des RNA-Virus. Direkt nebenan im Genom fanden die Forscher den Kode für ein Protein, das ringförmige virale DNA verarbeitet und für reine DNA-Viren wie Circoviren typisch ist. Die Sequenzunterschiede zwischen dem ursprünglichen RNA-Virus-Gen und seiner DNA-Version sind vergleichsweise gering, was darauf hindeutet, dass das Protein vor relativ kurzer Zeit die Seiten gewechselt hat.

Bisher waren drei streng voneinander getrennte Klassen von Viren bekannt: die RNA-Viren, deren Genom während des gesamten Fortpflanzungszyklus als RNA vorliegt und die auf DNA ganz verzichten; die DNA-Viren, deren Genom aus DNA besteht, und die Viren, deren RNA-Genom mit Hilfe einer reversen Transkriptase in DNA übersetzt werden muss, damit sie sich vermehren können. Viren können über verschiedene Mechanismen Gene miteinander austauschen, wenn sie eng miteinander verwandt sind oder sich ihre Vermehrungswege stark ähneln, aber Gentransfer zwischen exklusiven RNA- und DNA-Viren galt bisher wegen der großen Unterschiede in der Replikation als nahezu unmöglich.

Das Capsid-Protein stammt von einem RNA-Virus, das keine reverse Transkriptase besitzt und dessen Erbgut deswegen nicht in DNA übersetzt wird. Deswegen ist noch vollkommen unklar, wie es zur Vermischung der beiden Virentypen kommen konnte. Die Forscher sehen derzeit zwei mögliche Szenarien für dieses Ereignis. Einerseits könnte ein Retrovirus die Wirtszelle gleichzeitig mit Spender- und Empfängervirus infiziert und die fremde RNA zufällig mit übersetzt haben, andererseits könnte ein Protein RNA und DNA der Viren zu einem Hybridstrang verknüpft haben, der dann in DNA übersetzt und so quasi offiziell gemacht wurde. Beide Versionen gelten allerdings als ausgesprochen unwahrscheinlich. Die Forscher spekulieren jedenfalls, dass auf die eine oder andere Weise auch heute noch völlig neue Virentypen entstehen können.

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